Landesgericht Graz
ORF.at/Roland Winkler
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Gericht

Prozess gegen IS-Terrorist: Neue Vorwürfe

Ein rechtskräftig verurteilter IS-Terrorist musste sich am Dienstag in Graz wegen versuchter Nötigung verantworten: Er soll einem Mithäftling gedroht haben, ihm den Kopf abzuschneiden. Nach neuen Vorwürfen wurde die Anklage ausgeweitet.

Der 21-Jährige soll laut Strafantrag im Mai einen um sechs Jahre älteren Gefangenen afghanischer Abstammung genötigt haben, weil er annahm, dieser habe ihn bei der Justizwache „verpfiffen“. Er soll seinem Mithäftling gesagt haben: „Wenn du ein Mann bist, dann komm in meinen Haftraum. Ich mache dich fertig, ich schneide dir den Kopf ab, weil ich ein Terrorist bin. Du bist kein richtiger Muslim.“ Er soll dem 27-Jährigen darüber hinaus gedroht haben, ihn beim Duschen zu vergewaltigen.

Angeklagter bestritt Vorwürfe

Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe, bekannte sich nicht schuldig und meinte: „Er wollte mich nur provozieren.“ Das Opfer habe ihm einen Faustschlag versetzt und nicht umgekehrt, und das alles sei auf den Kameraaufzeichnungen auch zu sehen. Nie sei er im Haftraum des Afghanen gewesen, und ansonsten habe es immer Zeugen gegeben.

Der 27-jährige Afghane blieb bei der Version, die er zuvor bei den Vernehmungen angegeben hatte. Mögliches Motiv könnte sein, dass er seit zehn Jahren kein Muslim mehr sei, sondern Atheist: „Er bot mir an, er hilft mir, den Koran zu lesen und wieder Muslim zu werden, aber ich sagte nein, weil ich stehe zu meiner Entscheidung.“ Daraufhin habe ihn der 21-Jährige als „Pussy“ beschimpft, und so entwickelte sich in Folge die Auseinandersetzung.

Zeuge schilderte Missbrauch

Andere Mithäftlinge hätten geschwiegen, weil sie vor dem Angeklagten Angst hätten, so das Opfer, das dann noch von einer weiteren Sache erzählte: „Die habe ich noch niemanden gesagt, weil es mir peinlich ist.“ Ein paar Tage vor den inkriminierten Äußerungen soll ihn der 21-Jährige sexuell missbraucht haben: „Ich schlief und wurde davon wach“, schilderte der 27-Jährige dem Richter mit erkennbarem Unbehagen. Als er ihn gefragt habe, was er da mache, habe der 21-Jährige nur gelacht und gemeint, dass er noch nicht mit ihm fertig sei.

Der Verteidiger des Angeklagten fragte den Afghanen, warum er bisher noch nie jemandem davon erzählt habe. „Ich wollte es damals beim Strafreferat sagen und hatte es auf einen Zettel geschrieben, aber ich habe ihn dann weggeschmissen.“ Seither habe er versucht, den Vorfall zu vergessen, weil es ihm peinlich sei.

Ermittlungsverfahren wird wieder aufgenommen

Die Staatsanwältin weitete daraufhin die Anklage aus: Gegen den 21-Jährigen wird nun auch wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person ermittelt. Der Beschuldigte bestritt die Vorwürfe: „Das ist krank.“ Der Richter sprach ein Unzuständigkeitsurteil – nun wird das Ermittlungsverfahren erneut aufgenommen. Nach einer möglichen neuen Anklage wegen sexuellen Missbrauchs würde vor einem Schöffensenat statt einem Einzelrichter verhandelt.

Wollte mit Mithäftling Sprengvorrichtung bauen

Gegen den 21-Jährigen wird seit kurzem von der Staatsanwaltschaft Graz auch wegen versuchter Bestimmung zum Mord und versuchter vorsätzlicher Gefährdung durch Sprengmittel, begangen jeweils als terroristische Straftat ermittelt; er soll im Gefängnis Zugang zu mehreren Handys gehabt und mit der radikalislamistischen Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) sympathisierende Chat-Partner zu Terror-Anschlägen ermuntert haben.

Einem zu lebenslanger Haft verurteilten Hamas-Terroristen, mit dem sich der Angeklagte in der Justizanstalt angefreundet hatte, soll er eine Anleitung zum Bombenbasteln übermittelt haben. In der Zelle des Palästinensers wurden Anfang August Elektronikteile sowie vier Patronenhülsen aus einer Langwaffe gefunden, mit denen dieser – so zumindest die Verdachtslage – eine Sprengvorrichtung bauen wollte – mehr dazu in Grazer Häftlinge unter Terrorverdacht (5.9.2020).