Gericht

Künstler oder Drogendealer? Freispruch

Eine Lichtinstallation hat am Freitag die beiden Künstler k.ada und Werner Schimpl vor ein Grazer Bezirksgericht gebracht: Sie mussten sich wegen angeblichen Suchtgiftanbau verantworten – und wurden letztlich freigesprochen.

Am Anfang waren es sieben Hanfpflanzen, die die beiden unter einer entsprechenden Lampe in einem der Stollen im Schloßberg anbauten – begleitet von einer Eröffnungsfeier, Führungen und entsprechenden Informationen über die Intention des Cannabis-Anbaus.

FPÖ-Gemeinderätin hatte Anzeige erstattet

Wochenlang fand das Projekt vor allem in der Kunstszene Aufmerksamkeit, aber kaum darüber hinaus – mehr dazu in Andersartiges im Schloßbergstollen (31.8.2020) –, bis es zu einem Artikel in einer Zeitung kam, der auch von einer Grazer Gemeinderätin der FPÖ gelesen wurde. Sie sagte am Freitag vor dem Bezirksgericht Ost: „Ich las von der Ernte und dass noch nicht klar ist, was damit gemacht wird und dass es weitere Ernten geben soll. Ich dachte mir, das kann im öffentlichen Raum nicht rechtens sein.“ Deshalb sei sie zur Polizei gegangen.

Prompt wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, die geernteten Blüten – sie waren bereits in Glasbehältern als Teil der Installation ausgestellt – sowie auch die neu angebauten acht weiteren Hanfpflanzen wurden von Beamten sichergestellt. Das Kunstwerk war damit zumindest vorerst Geschichte, doch den Zweck hatte es nicht verfehlt: Es kam zur Diskussion, einerseits über die Legalisierung von Cannabis, andererseits auch darüber, ob die Freiheit der Kunst damit überschritten wurde.

Verteidiger: „Grundrecht der Kunst“

Der Verteidiger brachte gleich zu Beginn der Verhandlung den Vergleich mit einer Theateraufführung. Sagt dort einer der Schauspieler auf der Bühne „I will shoot her“, gehe doch auch niemand den Schauspieler wegen gefährlicher Drohung anzeigen: „Wir wissen, das sind künstlich erzeugte Welten. Diese sollen uns erfreuen oder zur Diskussion anregen.“ In diesem Fall sei der Schloßbergstollen die künstliche Welt gewesen, das Kunstwerk war abgesperrt hinter Gittern sichtbar und sollte zur Diskussion anregen, „aber keinen Suchtgiftkonsum fördern“. Er ist überzeugt, der über die Installation „gestülpte Schutzmechanismus ist das Grundrecht der freien Kunst“.

Angeklagte: „Da kam nichts weg“

Die Richterin ließ sich dann von der Künstlerin k.ada im Detail schildern, wie es zu dem Projekt kam: Die Pflanzen seien ganz legal in einem Grazer Geschäft gekauft worden; sie habe diese zusammen mit Helfern eingesetzt und bewässert, und als sie blühten, hatte sie das entstandene Material getrocknet und in Gläser abgefüllt – diese wurden dann ebenfalls Teil der Installation. „Ich habe da jedenfalls nichts heimlich gemacht“, sagte sie. Informationstafeln und Einladungsprospekte wiesen klar auf den Cannabis-Anbau hin und brachten es in den Kontext mit legalen Drogen wie Alkohol. Sowohl die Pflanzen als auch die geernteten Blüten waren zu jeder Zeit im Stollen: „Da kam nichts weg.“

„Uns war wichtig, wie die Installation aussieht, nicht wie viel wir ernten können“, beteuerte die Künstlerin. Belegt werde das durch den doch eher bescheidenen Ertrag und auch die Qualität des „Grases“, das kaum THC enthielt. „Wir wollten alle Blüten künstlerisch verarbeiten. Wir dachten, wir sind als Künstler auch die einzigen, die so etwas machen können – wegen der Freiheit der Kunst.“ Als sie zusammen mit Schimpl als „Drogendealer“ präsentiert worden sei, war das ein Schock, meinte k.ada: Wenn sie gewusst hätte, dass ein Verfahren die Folge ist, hätten sie die Ernte unter Polizeiaufsicht gemacht wie bei einem ähnlichen Projekt in Wien.

„Das Material auf eine andere Ebene bringen“

Schimpl bekräftigte die Angaben seiner Künstlerkollegin: „Es war zunächst ein Lichtkunstwerk, und wir hatten die Idee, in so einem unwirtlichen Stollen Pflanzen wachsen zu lassen. Cannabis gilt als sehr widerstandsfähig, und wir brachten damit auch die verschiedenen Aspekte als Suchtmittel oder Heilmittel ein.“ Er habe „das Material auf eine andere Ebene bringen“ wollen, wie er es schon mit vielen anderen Materialen davor gemacht hatte. Seit Jahrzehnten experimentiere er damit, versicherte er der Richterin.

„Das ist definitiv Kunst“

Da die Staatsanwaltschaft den Begriff Kunst für das Projekt als „zweifelhaft“ erachtete und gar einen „enden wollenden ‚eigenschöpferischen‘ Gehalt“ attestierte, wurde unter anderem Heidrun Primas als Zeugin geladen – die Leiterin des Forum Stadtpark stellte klar: „Das ist definitiv Kunst.“ Sie kenne beide Künstler seit Jahren und verfolge deren Werke. „Solaris“ habe sie mehrmals gesehen, und sie fand das Thema im Spannungsfeld zwischen Legalisierung von Cannabis und dem legalen Alkohol als klar erkennbar und interessant.

Richterin sah klar künstlerische Freiheit

Letztlich hatte auch die Richterin keinen Zweifel mehr daran, dass es sich wohl um Kunst handelt und sprach beide Angeklagten frei: „Ich sehe keinen Vorsatz eines unerlaubten Suchtmittelkonsums.“ Da sie beruflich mit vielen Cannabis-Konsumenten zu tun habe, sei sie zwar nicht für die Legalisierung, aber „die Diskussion darüber darf stattfinden“. Sie habe das Projekt als Kunstwerk erkannt und daher gab es auch den Freispruch. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.