Gericht

Defekte Spiralen: „Schock war groß“

Am Bezirksgericht in Fürstenfeld wird am Donnerstag der Prozess gegen einen Hersteller von Verhütungsspiralen fortgesetzt. Eine Steirerin schilderte dabei, dass ihre Spirale brach und sie operiert werden musste.

Auftakt für die Verhandlung war bereits im Juni, bei der Fortsetzung wurde neben der Steirerin auch ein Vertreter des Herstellers aus Barcelona in Spanien gehört. Die 43-Jährige schilderte, wie es in ihrem Fall zu den Problemen kam: „Ich habe die Spirale Gold T 2015 von meiner Frauenärztin eingesetzt bekommen.“ Als sie nach fünf Jahren im September 2020 kurz vor dem Tausch mit einer neuen Spirale zur Kontrolle bei ihrer Ärztin war, wurde beim Ultraschall eine Schieflage der Spirale festgestellt. Sie entschied, das Verhütungsmittel gleich in der Woche darauf zu ersetzen.

Zeit vor der OP sei „sehr belastend“ gewesen

Eine Woche später nahm ihr die Gynäkologin die Spirale heraus: „Ein Ärmchen blieb aber drinnen, und das andere war eingerissen“, schilderte die 43-Jährige. „Der Schock war groß, klarerweise.“ Mehrere Versuche, das Ärmchen zu entfernen oder auf den natürlichen Abgang zu warten, brachten keinen Erfolg.

Schließlich wurde ihr im November unter Narkose der Fremdkörper in einer Privatklinik entfernt. Die Zeit bis zur OP beschrieb sie als schwierig: „Das hat mich damals rund um die Uhr beschäftigt.“ Auch für die Beziehung sei die Situation „sehr belastend“ gewesen.

Die Frauenärztin wiederum gab vor der Richterin an, dass sie erst rund zwei Wochen nach dem Bruch des Ärmchens bei ihrer Patientin ein erstes Schreiben der Ärztekammer mit einem Hinweis auf mögliche Defekte bei bestimmten Chargen dieser Spiralen erhalten hatte. Daraufhin durchsuchte sie ihre Unterlagen und fand bei ihren rund 4.000 Patientinnen 14, der sie eine Spirale der betroffenen Chargen eingesetzt hatte.

Firmenvertreter noch nicht befragt

Für die Befragung des Vertreters von Eurogine, Managing Director und Mitgesellschafter Juan Pena, blieb am Donnerstag nicht genügend Zeit, weshalb er noch einmal aus Barcelona anreisen wird müssen. Er und sein Anwalt schilderten allerdings, dass sofort nach Bekanntwerden der Probleme Anfang 2018 Informationsschreiben an die spanischen Behörden sowie die nationalen Distributoren ergangen seien. In Österreich sei es damals die Angelini Pharma GmbH gewesen.

Diese hätte sämtliche Chargen bei Ärzten, Apotheken und Kliniken einziehen und ersetzen sollen. „Aber was ist mit denen, die schon bei Frauen eingesetzt wurden?“, fragte die Richterin. „Daran hatten wir auch gedacht, aber die uns bekannten Brüche sind erst bei Entfernung passiert. Von den anderen wussten wir noch nichts.“

Gebrochene Spirale aufgehoben

„Bei sechs von ihnen gab es gebrochene Ärmchen.“ Ein Großteil sei beim geplanten Auswechseln gebrochen, aber manche auch schon vor Ende der fünf Jahre, so die Ärztin. Ihre Patientinnen habe sie jedenfalls alle selbst per Brief informiert. Anschließend händigte sie dem Gutachter die kaputte Spirale aus, die sie vorsorglich aufgehoben hatte.

Über 1.000 Frauen in ganz Österreich haben sich einer Sammelklage des österreichischen Verbraucherschutzvereins (VSV) angeschlossen, davon laut Verein hundert aus der Steiermark – mehr dazu in Defekte Spiralen: Erster Prozess in Fürstenfeld (12.6.2021).

Komplikationen aufgrund von Materialfehlern

Bei den Spiralen des spanischen Herstellers Eurogine kam es in den vergangenen Jahren zu Brüchen, so Peter Kolba vom VSV. Der Vorwurf lautet, „dass bei einer Reihe von Produkten Materialfehler vorliegen, die zum Bruch der Seitenarme der Spirale führen und diese Seitenarme in der Folge Probleme schaffen, indem sie nicht mit der Spirale entnommen werden können und in der Gebärmutter verbleiben“. Die Bruchstücke mussten laut Kolba bei einigen Frauen operativ entfernt werden, „es kann auch sein, dass es durch diesen Materialfehler zu unerwünschten Schwangerschaften kommt“.

Hersteller soll nicht ausreichend gewarnt haben

Konkret bringen die Kläger vor, dass Eurogine ab Februar 2018 von Defekten wusste, aber die Frauen nicht ausreichend davor gewarnt haben soll. „Hätte die beklagte Partei schon im Frühjahr 2018 die Gynäkologen, die Anwenderinnen und die Öffentlichkeit informiert, so hätten zahlreiche Schäden vermieden werden können: Selbst nach dem Frühjahr 2018 wurden weiter Spiralen der betroffenen Charge bei unwissenden Anwenderinnen von unwissenden Ärzten eingelegt. Damit hat die beklagte Partei selbst verschuldet, dass sich der (potenzielle) Geschädigtenkreis wesentlich erhöhte“, begründen die Kläger.

Rückrufe durch Veröffentlichungen etwa in Zeitungen oder als „Rote-Hand-Briefe“ seien notwendig gewesen. Das Unternehmen habe jedoch nicht alles unternommen, um Anwenderinnen zu schützen – im Gegenteil: Eurogine habe sich der Verantwortung entziehen wollen, so der Vorwurf. Die Firma dagegen wies bisher die Schuld von sich und ist der Meinung, dass die Distributoren der Spiralen sowie die nationalen Behörden, die sehr wohl informiert worden seien, die Ärzte und Anwenderinnen hätten warnen sollen; Eurogine seien weder die Ärzte, die das Produkt eingesetzt haben, noch die betroffenen Frauen bekannt gewesen.

Bei dem Fall, der in Fürstenfeld verhandelt wird, forderte Eurogine zudem einen Nachweis, dass die Frau überhaupt eines ihrer Produkte verwendet hat und aus welcher Charge dieses gewesen sein soll – es sei weder die vermeintlich fehlerhafte Spirale noch eine Chargennummer übermittelt worden.

Musterprozess für Sammelklage

Neben den Klagen gegen den Hersteller muss sich auch die Republik Österreich auf dem Wege einer Amtshaftungsklage verantworten: Die Bundesagentur für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) habe nämlich fast zwei Jahre gebraucht, bis sie – nach Verständigung durch den Hersteller im Jahr 2018 – erst im Herbst 2020 erstmals auf ihrer Website vor den Materialfehlern gewarnt hätten – zuvor hielt man laut VSV Rückrufe des Herstellers selbst für ausreichend.

Auch bei der steirischen PatientInnen- und Pflegeombudschaft gingen Anfragen ein, bestätigte deren Leiterin Michaela Wlattnig. Laut ihren Angaben habe das Bundesamt Informationen an Frauenärzte herausgegeben, dass es hier Probleme gebe und sie ihre Patientinnen zur Kontrolle einberufen sollen. Generell sei das Thema rechtlich sehr komplex, so die steirische Patientenanwältin, es gehe einerseits um die Produkthaftung und andererseits um einen möglichen Schadenersatz. Der steirische Fall ist eine Einzelklage und gilt als Musterprozess für eine österreichweite Sammelklage durch den Verbraucherschutzverein.