Schweißer
ORF
ORF
Wirtschaft

Diskussion über Weg aus Fachkräfte-Krise

Über die Zukunft des Arbeitsmarktes haben Mittwochabend Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Industrie in Spielberg diskutiert. Dabei wurden mögliche Ansätze besprochen, wie man die Lücke zwischen offenen Stellen und Arbeitssuchenden schließen könnte.

Der Arbeitsmarkt zeichnet derzeit ein kurioses Bild: Obwohl viele Menschen einen neuen Job suchen, suchen dennoch viele Betriebe händeringend Mitarbeiter. Fast 36.000 Personen sind aktuell arbeitslos gemeldet, während es fast 19.000 offene Stellen gibt; tatsächlich werden laut Wirtschaftskammer aber sogar Mitarbeiter für mehr als 39.000 Jobs gesucht, also fast doppelt so viele – mehr dazu in Zahl der Arbeitslosen leicht zurückgegangen (2.5.2022).

Arbeitsmarkt „kann nicht mithalten“

Ewald Verhounig vom Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung führt diese Situation auf einen „Miss-Match zwischen angebotenen und nachgefragten Qualifikationen“ zurück: „Wir sehen, dass wir vielfach Personen in Arbeitslosigkeit haben, die keine Ausbildung haben, die nur einen Schulabschluss haben, und mittlerweile werden teils hoch qualitative Lehrausbildungen nachgefragt oder Ausbildungen im tertiären Bereich, und da kann der Arbeitsmarkt derzeit nicht mithalten.“

Wirtschaft sucht händeringend Fachkräfte

Während die Arbeitslosenzahlen stetig sinken, ist die Zahl der offenen Stellen im Vergleich zum Vorjahr extrem gestiegen. Beim AMS sind derzeit fast 19.000 offene Stellen gemeldet, tatsächlich unbesetzt sind doppelt so viele. Ein Teil der Arbeitssuchenden sei aber über Zusatzqualifikationen durchaus für Jobs qualifizierbar.

Gesucht werden Mitarbeiter für alle Branchen. Die Stärkung von Lehre mit Matura sei hier ein möglicher Weg aus dem Fachkräftemangel, aber man müsse sich auch im Ausland umsehen, sagt Verhounig: „Wir werden nicht umhin kommen, Leute aus dem Ausland in die Steiermark zu holen, da wird jetzt hoffentlich mit der Rot-weiß-Rot-Card einiges gelingen.“

Mehrwert durch Zusatzqualifikationen

Über Zusatzqualifikationen sei zumindest ein Teil der Arbeitssuchenden für Jobs qualifizierbar, erklärt Martin Neubauer vom WIFI: „Ich glaube, man muss Berufe, wo es um Teilausbildungen geht, etwa zur Montage von Photovoltaikausbildungen, attraktiv darstellen und das muss man auch an die Arbeitssuchenden und -willigen gut transportieren, aber ich glaube, dass es da großes Potenzial gibt.“ Ein weiterer Vorschlag von Unternehmerseite im Kampf gegen den Fachkräftemangel ist es, ältere, erfahrene Mitarbeiter steuerbegünstigt länger im Job zu halten.

Kocher: Auch Unternehmen gefordert

Der Stein der Weisen wurde jedenfalls auch bei der Diskussion Mittwochabend in Spielberg nicht gefunden. Auch aktuelle Zahlen aus den Bezirken Murtal und Murau zeigen das Problem augenscheinlich auf: Im Bezirk Murau waren Ende April 361 Personen arbeitslos, im Bezirk Murtal 1.475. Trotzdem sind in der Region viele Betriebe auf der Suche nach Arbeitskräften – mehr als 1.200 Stellen wären zu besetzen.

Für Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) gilt es, an mehreren Rädern zu drehen: „Es gibt viele Maßnahmen, die man setzen muss, an allen Ecken und Enden, um den Fachkräftemangel auch zu bewältigen, es gibt viele Maßnahmen, die jetzt laufen oder anlaufen, Qualifizierung für Menschen, die arbeitslos geworden sind, das heißt, wir versuchen hier, etwas Abhilfe zu bieten, aber letztlich müssen die Unternehmen auch attraktive Arbeitsbedingungen anbieten und müssen wahrscheinlich in der Zukunft noch stärker auf Mitarbeiterattraktivität schauen.“ Außerdem sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig, und Kocher will zudem mehr Möglichkeiten schaffen, dass Jugendliche nach der Matura eine schnelle Lehre machen können.

Schachner: Rahmenbedingungen verbessern

Für ÖGB-Chef Horst Schachner müssten speziell für über 50-jährige Langzeitarbeitslose Pakete ausgearbeitet werden, und Unternehmer müssten die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter verbessern: „Viele Firmen, die ihre Mitarbeiter sehr schätzen, haben überhaupt kein Problem mit Facharbeitern.“

Pagger: Bedarf größer als das Angebot

Dieser Aussage widerspricht aber Gernot Pagger von der Industriellenvereinigung Steiermark: „Alle Betriebe haben Probleme, Mitarbeiter zu bekommen, und das würde im Umkehrschluss heißen, dass niemand auf seine Mitarbeiter schaut, was definitiv nicht der Fall ist. Ich glaube, das ist die Grundvoraussetzung, und das tun auch alle, und trotzdem ist der Bedarf größer als das Angebot.“ Wie Kocher spricht sich auch Pagger für eine Verbesserung der Kinderbetreuung aus, damit Frauen wieder früher in den Arbeitsprozess eingegliedert und ihr Stundenausmaß erhöht werden kann, und es müsse noch mehr in die Ausbildung junger Menschen investiert werden.