Huhn deformiert
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Chronik

Geflügelmastskandal weitet sich aus

Der Skandal um Missstände in steirischen Geflügelmastbetrieben weitet sich aus: Inzwischen wurde bekannt, dass es bereits gegen insgesamt drei Betriebe in der Südoststeiermark Anzeigen wegen Tierquälerei gibt. Bauernvertreter zeigen sich entsetzt.

Ein Video mit skandalösen Szenen aus einem AMA-zertifizierten steirischen Hühnermastbetrieb sorgt weiter für Entsetzen. Die AMA arbeite nun an einem Kontrollbericht – mehr dazu in Hühnermast: VGT kritisiert Haltungsformen.

Entsetzen in der Branche

Dass gleich drei Betriebe in der Umgebung wegen Tierquälerei angezeigt wurden, machte auch Franz Uller in Raabau bei Feldbach betroffen – eine ganze Branche komme dadurch – seiner Meinung nach völlig zu Unrecht – in ein schiefes Licht: „Ich hab das Video gesehen, aber ich kann wirklich nur sagen: Das ist nicht die gängige Praxis, das sind einige wenige. Und wenn man sieht, wie es bei mir und anderen Kollegen ist: Die Tiere fühlen sich wohl, wir schauen darauf, dass es der Herde gut geht.“

Hühnerstall
ORF
Es geht auch anders: Franz Uller gehört mit seinen rund 6.000 Hühnern zu den Kleinsten der Branche

Mehrmals täglich würden in seinem Betrieb Kontrollgänge im Stall gemacht. Doch auch Uller mästet Hühner einer schnell wachsenden Rasse aus wirtschaftlichen Gründen, wie er sagt, weil Konsumenten derzeit einfach nicht bereit seien, den Mehrpreis für andere zu zahlen.

Strukturelles Problem

Die Aufzucht schnell wachsender Rassen sieht die steirische Tierschutzombudsfrau Barbara Fiala-Köck als strukturelles Problem bei der Geflügelmast: „In den 50er Jahren hat ein Masthuhn bis zur Schlachtreife von ca. 1,8 Kilogramm 100 Tage gebraucht; jetzt wird ein Masthuhn in 31 Tagen schlachtreif. Dieses schnelle Wachstum führt dazu, dass die Tiere ihren Schwerpunkt nach vorne verlegen; sie können ihr Gleichgewicht nicht mehr halten, liegen dann vermehrt. Dazu kommt, dass ihre Gliedmaßen im Vergleich zum Körper sehr kurz sind. Dieses Problem der schnell wachsenden Tierrassen betrifft die gesamte Branche.“

Kontrollbericht nach Geflügelmastskandal in Arbeit

Ein Video mit skandalösen Szenen aus einem AMA-zertifizierten steirischen Hühnermastbetrieb hat für Entsetzen gesorgt. Die AMA arbeite nun an einem Kontrollbericht, den man abwarten müsse, heißt es.

Die Tierschutzombudsstelle mahnt auf Einhaltung aller tierschutzrechtlichen Bestimmungen. Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) schließt nach den bisherigen Anzeigen ein Vorgehen gegen weitere Hühnermastbetriebe in der Steiermark nicht aus.

Aufnahmen aus heurigem Sommer

Die am Dienstag bekanntgewordenen Aufnahmen stammen laut VGT aus dem heurigen Sommer. Am Montag habe man Anzeige wegen Tierquälerei erstattet, was von der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark auch bestätigt wurde.

In der Steiermark gibt es insgesamt 183 Geflügelmastbetriebe, davon sind 178 mit dem AMA-Gütesiegel zertifiziert. Dieses Gütesiegel zeigt – laut Agrarmarkt Austria – grundsätzlich, dass die Tiere ausschließlich in Österreich geboren, gefüttert und geschlachtet werden; die Kriterien dafür werden vom Landwirtschaftsministerium erarbeitet.

AMA: „Wir kontrollieren strikt“

„Wir kontrollieren strikt. Die Konsumentinnen und Konsumenten können eine große Sicherheit mitnehmen, dass die überwiegende Mehrzahl der Bauernhöfe gut und ordentlich produziert, dass man sich auf die Qualität, auf die Sorgfalt, auf die Professionalität dieser Betriebe verlassen kann“, so Michael Blass von AMA Marketing.

Kontrolliert werden die AMA-zertifizierten Betriebe einmal pro Jahr, Routinekontrollen werden, laut AMA, maximal 24 Stunden vorher angekündigt. Die Betriebe müssen verpflichtend am Geflügel-Tiergesundheitsdienst teilnehmen, und jeder Betrieb hat einen Betreuungstierarzt bzw. eine Betreuungstierärztin: Diese Person kommt in der Regel dreimal pro Mastdurchgang – das heißt, im Schnitt alle zwei Wochen – auf den Hof.

Tierschutzombudsfrau: Kontrollbericht abwarten

Demzufolge müsste das Tierwohl entsprechend unter Kontrolle stehen, so Fiala-Köck: „Wenn es gröbere Missstände in dem Betrieb gibt, dann müssten diese dem Tierarzt auffallen. Wenn es zum Beispiel eine erhöhte Sterblichkeitsrate unter den gehaltenen Masthühnern gibt oder wenn es gravierende Management Probleme gibt, wenn es Probleme mit der Einstreu gibt zum Beispiel, dann müssten diese tierschutzrelevanten Fragestellungen selbstverständlich dem Betreuungstierarzt auffallen.“ Im konkreten Fall arbeitet die AMA derzeit an einem Kontrollbericht – diese müsse abgewartet werden, so Fiala-Köck.

Gütesiegel ist nicht gleich Gütesiegel

Der Dschungel an Gütesiegeln ganz allgemein ist aber ein riesiger – den Überblick zu behalten, welches wofür steht und worauf man sich als Konsumentin, als Konsument tatsächlich verlassen kann, ist schwierig: „Bei den Gütesiegeln kann man auch immer jene unterscheiden, die eine rechtliche Grundlage haben. Das Biosiegel hat eine Grundlage auf europäischer Ebene, das heißt, dahinter steht auch eine rechtliche Verpflichtung. Und dann gibt es Gütesiegel, die freiwillig sind, wo ein Verein dahintersteht, eine Organisation, die sagt, ja, wir wollen weitergehen und weiter höher gehende Standards in der Produktion haben und das den Konsumentinnen auch vermitteln“, so Susanne Bauer von der Arbeiterkammer Steiermark.

Die Unterscheidung, was ein Gütesiegel kann und aussagt, sei alleine anhand des Logos aber oft nicht zu erkennen – da müsse man schon recherchieren und genau nachlesen.