„Rotwaffen“
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Chronik

Tödliche Schussübung: Polizist verurteilt

Ein Polizist und Einsatztrainer, der im Herbst bei einer Übung in Graz einen jungen Kollegen erschossen hatte, ist am Freitag in Graz zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Der Polizist war umfassend geständig; während der Verhandlung kamen dem Mann immer wieder die Tränen.

Der Saal im Grazer Straflandesgericht war Freitagfrüh bis auf den letzten Platz gefüllt. Schon bei den Einvernahmen im September hatte sich der 40 Jahre alte Angeklagte umfassend geständig gezeigt, seinem 27-jährigen Kollegen bei einer Übung in den Rücken geschossen und ihn damit tödlich verletzt zu haben. „Bleiben Sie bei diesen Angaben?“, fragte der Richter am Freitag. „Selbstverständlich“, antwortete der Angeklagte kurz.

Zu dem Unglück kam es bei einem Einsatztraining in den verzweigten Kellerräumlichkeiten der Landespolizeidirektion Graz. Geleitet wurde die Übung vom 40-Jährigen, daran beteiligt waren vier Beamte der Bereitschaftseinheit.

Polizist schildert Tagesablauf

Der Angeklagte schilderte den Ablauf des Tages mit fester Stimme. Eine geplante Übung musste abgesagt werden, weil auf der Laßnitzhöhe eine Suchaktion nach einer Frau im Gange war. Als die Abgängige wieder auftauchte, kehrten die Beamten zurück zur Landespolizeidirektion, um zu Mittag zu essen. Danach habe der 40-Jährige vorgeschlagen, eine Übung nachzuholen.

Je näher der Mann bei seiner Schilderung der tödlichen Schussabgabe kam, desto öfter versagte ihm die Stimme. Immer wieder kamen ihm die Tränen. Dennoch schilderte er sachlich den Hergang. Noch vor der Übung habe er als Übungsleiter vorschriftsmäßig die Dienstwaffen der Beamten gegen Rotwaffen, mit denen keine Schussabgabe möglich ist, getauscht. Auf seine eigene Dienstwaffe hatte der Polizist laut eigenen Angaben vergessen – mehr dazu in Toter Polizist: Übungsleiter vergaß auf Waffentausch (14.9.2022).

„Wer hat die Grüpplinge vor der Übung kontrolliert?“, wollte der Richter wissen. „Das war ich. Das liegt in meinem Aufgabenbereich“, meinte der Angeklagte. „Und wer hat Sie kontrolliert?“ – „Leider Gottes niemand.“

Angeklagter schoss Kollegen in den Rücken

So nahm die Übung, die eigentlich verhindern sollte, dass Personen bei einem Einsatz zu Schaden kommen, eine dramatische Wendung: In einem Gang wollte der Angeklagte einem 27-jährigen Beamten verdeutlichen, dass er sich in einer gefährlichen Position befindet. Um das zu untermauern, richtete der Übungsleiter die Waffe auf ihn und drückte ab – offenbar in der Meinung, selbst eine Übungswaffe in der Hand zu haben. Der 27-jährige Weststeirer wurde vom Projektil in den Rücken getroffen und starb noch an Ort und Stelle an seinen schweren inneren Verletzungen.

Drei Zeugen und der Angeklagte schilderten am Freitag den genauen Ablauf der Übung und auch, was danach geschah. Die Ermittlungen wurden noch am selben Tag vom Landeskriminalamt Oberösterreich übernommen. Ein Ermittler gab vor Gericht am Freitag an, dass der 40-Jährige „von Beginn an kooperativ“ gewesen sei. „Er wollte sofort eine Einvernahme, weil er das sofort loswerden wollte. Er hat nichts beschönigt, nichts abgestritten“, schilderte der Ermittler weiter, der von einer der belastendsten Erhebungen seiner 37-jährigen Karriere sprach.

„Was sagt man den Eltern?“

Der Angeklagte gab auf Rückfrage seines Anwaltes an, dass er sich persönlich bei den Eltern des getöteten Polizisten gemeldet habe: „Ich wollte das gleich machen, weil es der Anstand gebietet. Aber ich hatte die Kraft nicht. Weil: Was sagt man Eltern, deren Sohn man erschossen hat? Erst vor rund ein bis zwei Monaten habe ich die Möglichkeit gehabt, mit den Eltern zu sprechen.“

„Sie können weiterhin Polizist bleiben“

Wegen grob fahrlässiger Tötung wurde der Beamte zu einer bedingten Haftstrafe von sechs Monaten sowie einer Geldstrafe verurteilt. Der Richter führte aus, dass die Unbescholtenheit des Mannes, seine umfassende Kooperation bei den Ermittlungen, sein Geständnis und auch die Tatsache, dass er sich aus freien Stücken an die Eltern des Opfers gewandt habe, als mildernde Umstände gewertet werden. „Aufgrund meiner Entscheidung können Sie weiterhin Polizist bleiben“, schloss der Richter die Verhandlung. Der 40-Jährige nahm das Urteil an.