Koralpe von oben
Kurt Stüwe / Ruedi Homberger
Kurt Stüwe / Ruedi Homberger
Wirtschaft

Pumpspeicherkraftwerk Koralm vom Tisch

Das geplante Pumpspeicherkraftwerk auf der Koralm wird wohl nicht gebaut. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die positiv ausgefallen war, überprüft und der Beschwerde von einigen Parteien stattgegeben.

Das BVwG hat die gegen den UVP-Genehmigungsbescheid eingebrachten Beschwerden von 17 Parteien behandelt und gab den Beschwerden gegen den positiven UVP-Bescheid des Landes letztlich statt – mehr dazu auch in Causa Koralm-Kraftwerk vor Verwaltungsgericht (20.2.2023) sowie in Koralm-Kraftwerk: Weitere Mängel aufgedeckt (28.12.2022).

Es wurden vom Gericht „umfangreiche ergänzende Ermittlungstätigkeiten“ durchgeführt, Sachverständige bestellt und an mehreren Verhandlungstagen die Ermittlungsergebnisse mit den Verfahrensparteien erörtert. Zusätzlich wurde auch ein Lokalaugenschein im Projektgebiet durchgeführt.

Umweltverträglichkeitsprüfung „nicht möglich“

Als Begründung für die Entscheidung wurde vom Gericht angeführt, dass „das Natura 2000-Gebiet Koralpe von der Steiermärkischen Landesregierung noch nicht als Europaschutzgebiet ausgewiesen wurde. Für das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ist die Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung unter diesen Voraussetzungen nicht möglich. Die Erlassung der fehlenden Verordnung des Europaschutzgebiets liegt nicht im Zuständigkeitsbereich des BVwG“.

Der Hintergrund laut Gericht also ein formalrechtlicher: Das Steiermärkische Naturschutzgesetz 2017 sieht nämlich einen vorläufigen Schutz für zukünftige Europaschutzgebiete vor. Das heißt, dass in einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bis zur Erklärung zum Europaschutzgebiet – die durch Verordnung des Landes zu erfolgen hat – alle Handlungen verboten sind, die zu erheblichen Beeinträchtigungen der für den Schutzzweck maßgeblichen Schutzgüter führen können.

Bei diesem Ergebnis sei daher auch nicht weiter darauf einzugehen gewesen, ob wegen der „offenkundig zutage getretenen eklatanten Ermittlungsmängel in zahlreichen Fachbereichen allenfalls die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Genehmigungsbescheids und für eine Zurückverweisung des Genehmigungsverfahrens an die Steiermärkische Landesregierung vorgelegen wären“, hieß es in der Entscheidung, die bereits Ende Juni gefallen und rechtskräftig ist. Möglich ist für die Projektwerber nur noch der Gang zu den Höchstgerichten mittels außerordentlicher Rechtsmittel.

Geplante Rodungen abgewendet

Projektwerber ist die Pumpspeicherkraftwerk Koralm GmbH mit Sitz in Graz. Geplant war, auf steirischer Seite der Koralm im Bezirk Deutschlandsberg ein Unterbecken und ein Oberbecken zu errichten. Für das Vorhaben wären Rodungen im Ausmaß von etwa 15 Hektar nötig gewesen. Das Projekt selbst wäre mit einem Investitionsaufwand von 800 Millionen bis zu einer Milliarde Euro eines der größten in der österreichischen Energielandschaft gewesen.

Lackner akzeptiert Entscheidung

Die Energie- und Umweltlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ) betonte, die Entscheidung gegen den positiven UVP-Bescheid in diesem umfangreichen Verfahren „ohne Wenn und Aber zu akzeptieren“. Sie hielt fest, dass ein UVP-Verfahren „keine politische Entscheidung, sondern ein behördliches Verfahren" sei. Wie dieses nun weitergeht hängt davon ab, ob die Entscheidung – beispielsweise vom Projektwerber – angefochten wird und damit in die nächsthöhere Instanz geht“, so die Landesrätin.

Zum Europaschutzgebiet Koralpe stellte Lackner klar: „Das an die Kommission gemeldete Europaschutzgebiet auf der Koralpe stand und steht unabhängig vom Formalakt einer Verordnung seit der Meldung im Jahr 2016 unter strengem vorläufigen Schutz.“ Die Verordnung dazu sei aktuell „in der Fertigstellung und wurde nicht bis Dezember 2022 erlassen, weil im Zuge der Stellungnahmen aus der Bevölkerung eine Rechtsfrage aufgeworfen wurde, die noch von externen Expertinnen und Experten geklärt werden musste“, so Landesrätin Lackner.

Vorerst kein Kommentar vom Projektwerber

Einer der Projektwerber Peter Masser, will zur Entscheidung des Gerichts noch nichts sagen. Rechtsanwalt Georg Eisenberger, der das Projekt jahrelang begleitet hat, sprach aber von einem „traurigen Tag“. Der Klimawandel werde nicht gelingen, wenn sogar Pumpspeicherkraftwerke von Umweltorganisationen bekämpft werden. Auch von Seiten der Wirtschaft gibt es Kritik: Der Deutschlandsberger Regionalstellenobmann Manfred Kainz sagt, Österreich würde 30 Jahre hinten liegen, um auf den Klimawandel mit neuen Energieformen zu antworten.

Umweltanwältin fühlt sich bestätigt

Die steirische Umweltanwältin Ute Pöllinger, eine der Beschwerdeführer, fühlt sich hingegen bestätigt: „Das Projekt ist abgewiesen. Im Wesentlichen ist damit das erreicht, was ich und die anderen Beschwerdeführer erreichen wollten, nämlich dass dieses Vorhaben in diesem Gebiet nicht umgesetzt werden kann.“

Auch die Umweltorganisation VIRUS war beschwerdeführende Partei und nimmt das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts daher mit Wohlwollen zur Kenntnis, so Sprecher Wolfgang Rehm: „Diese rechtskräftige Entscheidung in der Sache ist nach all den verfahrensrechtlichen Absurdidäten bei der Steiermärkischen Landesregierung ein guter Tag für das Umweltrecht und ein guter Tag für die Energiewende, die vom Trittbrettfahrertum eines Substandardprojektes befreit wurde."

Kleiner Wermutstropfen sei laut Rehm, dass mit Beendigung des Verfahrens „der Verfassungsgerichtshof nun nicht mehr die rechtswidrige Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes“ zu Ende prüfen könne, die der Umweltverträglichkeitsprüfung vorangegangenen war.

Grüne „nicht überrascht“

Die Grüne Klubobfrau Sandra Krautwaschl zeigt sich von der Entscheidung wenig überrascht, "so stümperhaft, wie da gearbeitet wurde.“ Für die Energiewende brauche es seriöse Projekte und schnelle, qualitativ hochwertige Abwicklungen von UVP-Verfahren: „Nach dem verheerenden Rechnungshofbericht zeigt auch dieses Urteil den jahrelangen Behördenpfusch unter SPÖ-Ressortverantwortung. Landesrätin Lackner kann sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen.“

KPÖ: „Projekt hoffentlich vom Tisch“

Die steirische KPÖ sieht sich in ihrer Kritik am geplanten Pumpspeicherkraftwerk bestätigt. „Das geplante Koralmkraftwerk wäre ein massiver Eingriff gewesen, der augenscheinlich nie einen positiven UVP-Bescheid bekommen hätte dürfen. Dieser Fehler ist nun korrigiert und das Projekt hoffentlich ein für alle Mal vom Tisch“, wurde vonseiten KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler festgehalten. Für sie gilt es noch zu klären „wie derartig eklatante Mängel in der Umweltabteilung auftreten konnten“.