Gericht Leoben
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Freisprüche nach Explosion bei Asylquartier

Der Prozess gegen drei Männer wegen eines vor mehr als 13 Jahren bei einer Flüchtlingsunterkunft in Graz explodierten Sprengsatzes am Donnerstag im Landesgericht Leoben hat großteils mit Freisprüchen geendet. Keinem der drei konnte die Schuld an der Detonation nachgewiesen werden, befanden die Geschworenen.

Die Geschworenen entschieden, dass keiner der drei Angeklagten bezüglich des Sprengsatzes nach Paragraf 3f des Strafgesetzbuchs schuldig ist, zwei von ihnen aber sehr wohl wegen des Paragrafen 3g, der nationalsozialistische Wiederbetätigung unter Strafe stellt.

In beiden Fällen geht es um Tätowierungen von verbotenen Symbolen. Dafür fasste der 29-Jährige 15 Monate bedingte Haft aus, ein zweiter Beschuldigter zwei Jahre bedingte Haft. Der dritte Angeklagte wurde gänzlich freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab.

Sprengsatz mit Schwarzpulver versehen

Am 11. September 2010 war gegen 1.40 Uhr eine Detonation am Eingang des Flüchtlingsheims in Graz zu hören – 35 Bewohner und eine Betreuerin wurden aus dem Schlaf gerissen. Ein damals 49-jähriger Georgier stürzte und verletzte sich, als er nachschauen wollte. Ansonsten gab es zwar keine Verletzten, aber der rohr- oder dosenförmige Sprengkörper wäre laut damaligen Ermittlungen imstande gewesen, Menschen schwer zu verletzen. Der Sprengsatz war – wie man heute weiß – mit Schwarzpulver versehen.

Ein 29-Jähriger, damals erst 15 Jahre alt, hatte am ersten Prozesstag im Dezember zuerst alles gestanden, zog seine Aussagen aber dann vor den Geschworenen zurück: Er will nun doch gar nicht einmal am Tatort gewesen sein. Seine Angaben, wonach die anderen beiden Männer auch beteiligt waren, zog er ebenfalls zurück. Allerdings verstrickte sich der 29-Jährige danach bei der Befragung durch die Richterin immer weiter in Widersprüche – mehr dazu Anschlag auf Asylheim: Prozess vertagt (18.12.2023).

Gutachten konnte nicht vorgelegt werden

Seit Dezember ließ die Richterin noch weitere Ermittlungen anstellen, doch ein kriminaltechnisches Gutachten der vorliegenden Fotos konnte wegen fehlender Originalbilder nicht vorgelegt werden. „Das LVT (Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Anm.) konnte diese nicht zur Verfügung stellen“, so die Richterin: Auch war ein Größenabgleich der Person auf den Bildern nicht möglich, weil die Bank im Hintergrund, die als Referenz dienen sollte, mittlerweile abgerissen wurde. Ein Originaltonträger ist beim LVT ebenfalls unauffindbar.

Dafür wusste ein Mitarbeiter der ÖBB im Zeugenstand zu berichten, dass am Hauptbahnhof in Graz seit 1996 keine Schließfächer mit Schlüssel verbaut waren – damit war klar, dass der 29-Jährige bei seiner Befragung gelogen hatte, denn er hatte am ersten Prozesstag angegeben, dass er den Sprengsatz mit einem Schlüssel aus einem der Schließfächer entnommen habe.

„Dann hat es aufgestaubt“

Befragt wurden auch zwei Mitarbeiter der Grazer Verkehrsbetriebe, die damals rund 100 Meter vom Tatort entfernt den Knall sowie die Druckwelle verspürt hatten: „Es gab die Detonation, eine Druckwelle, und dann hat es aufgestaubt“, sagte einer. Er habe auch einen Mann über die Straße laufen gesehen, konnte aber keinen der drei Angeklagten am Donnerstag einwandfrei identifizieren – immerhin sei es fast 14 Jahre her und finster gewesen, so der Zeuge.

Gleich zu Beginn des letzten Prozesstages hatte ein Verteidiger den Ausschluss eines Geschworenen angeprangert: Das sei ohne die gesetzlichen Voraussetzungen passiert und nur, weil er zu erkennen gegeben habe, „dass er die Ermittlungstätigkeit des LVT kritisch sieht“, so der Anwalt; dabei habe sowohl das Gericht als auch das LVT selbst schon eingeräumt, dass es zu Ermittlungspannen gekommen sei.