„Maria-Stromberger-Gasse“
Marusa Puhek
Marusa Puhek
Chronik

Graz: Der „Engel von Auschwitz“ ersetzt Kernstock

Die Krankenschwester und als „Engel von Auschwitz“ bekannte Widerstandskämpferin Maria Stromberger tritt in Graz als Namensgeberin an die Stelle von Ottokar Kernstock: Die nach dem Verfasser des „Hakenkreuzliedes“ benannte Straße trägt seit Donnerstag offiziell den Namen „Maria-Stromberger-Gasse“.

„Ottokar Kernstock war ein Rassist und geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus. Mit Maria Stromberger haben wir als neue Namensgeberin eine mutige Frau, deren Widerstand gegen das NS-Regime beinahe in Vergessenheit geriet, ausgewählt“, wurde Gemeinderätin Manuela Wutte (Grüne) am Donnerstag in einer Aussendung des Büros der Grazer Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) zitiert. Auf ihre Initiative wurde der Antrag auf Umbenennung im Grazer Gemeinderat im November des Vorjahres – gegen die Stimmen von ÖVP, KFG und FPÖ – angenommen.

Von Graz über Bregenz nach Auschwitz

Die gebürtige Kärntnerin Maria Stromberger (1898–1957) lebte und arbeitete von 1914 bis 1935 in Graz, bevor sie nach Bregenz ging und dort eine Krankenschwesterausbildung absolvierte. Als sie 1942 von den Zuständen in den Konzentrationslagern erfuhr, ließ sie sich nach Auschwitz versetzen. Dort versah sie im SS-Krankenrevier ihren Dienst und knüpfte zur geheimen Widerstandsgruppe „Kampfgruppe Auschwitz“ Kontakt – sie beschaffte Medikamente, schmuggelte Informationen aus und auch einmal zwei Pistolen mit Munition in das Lager.

Nach dem Krieg kehrte sie nach Bregenz zurück. Die französischen Behörden hielten sie 1946 wegen ihrer Tätigkeit in Auschwitz einige Monate in Haft. 1947 sagte sie in Warschau im Prozess gegen den ehemaligen Lagerkommandanten Rudolf Höß aus. In Vorarlberg blieb sie lange Zeit nach ihrem Tod 1957 unbekannt – mittlerweile ist dort ein Weg nach der Widerstandskämpferin benannt.

„Ein sichtbares Zeichen, wen wir ehren wollen“

„Mit der Umbenennung der historisch belasteten Kernstockgasse in die Maria-Stromberger-Gasse setzen wir ein sichtbares Zeichen, wen wir ehren wollen, und übernehmen als Menschenrechtsstadt Verantwortung für den Umgang mit unserer Geschichte“, so die politisch zuständige Vizebürgermeisterin.

Knapp vier Jahre lang hatte eine Expertenkommission die Grazer Straßen- und Platznamen historisch überprüft. Der mehr als 1.000 Seiten umfassende Abschlussbericht brachte 82 kritisch zu betrachtende Namen. Die 20 „höchst bedenklichen“ Straßennamen sind laut den Experten: Alfred-Coßmann-Gasse, Ambrosigasse, Conrad-von-Hötzendorf-Straße, Dr.-Hans-Kloepfer-Straße, Dr.-Karl-Lueger-Straße, Dr.-Muck-Anlage, Dr.-Robert-Graf-Straße, Etrichgasse, Gustav-Hofer-Weg, Jahngasse, Jaritzweg, Kernstockgasse, Leo-Scheu-Gasse, Luigi-Kasimir-Gasse, Max-Mell-Allee, Nernstgasse, Pambergergasse, Pfitznergasse, Rudolf-List-Gasse und Walter-Semetkowski-Weg – mehr dazu in Belastete Grazer Straßennamen werden umbenannt (24.3.2022).