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Verkehr

Runder Tisch zum Ausbau der A9

Seit Jahren ist der dreispurige Ausbau der Pyhrnautobahn (A9) zwischen Wildon und Graz ein heftig diskutiertes Großprojekt. Am Freitag luden die Grünen in Graz zu einem runden Tisch mit Befürwortern und Gegnern des Projekts. Was alle eint: Sie wollen weniger Verkehr.

Die A2 von Gleisdorf bis Mooskirchen ist bereits auf knapp 45 Kilometern dreispurig ausgebaut. Auf der zweispurigen A9 auf Höhe Schachenwald sind laut ASFINAG-Verkehrszählung täglich bis zu 70.000 Fahrzeuge unterwegs, und laut einer Studie ist bis 2035 sogar mit bis zu 92.000 Kfz zu rechnen – mehr dazu in A9-Ausbau für TU Graz „alternativlos“ (28.8.2023)

Während Befürworter wie die steirische Landesregierung den „alternativlosen Ausbau“ propagieren – mehr dazu in Landesregierung hält an A9-Ausbau fest (24.11.2023), sehen manche den Ausbau der Öffis als die bessere und umweltverträglichere Variante.

Dritte Fahruspur: Pro und Kontra

Peter Amreich von der steirischen Pendlerinitiative lässt grundsätzlich beide Sichtweisen gelten: „Aber wenn man zum Beispiel in Leutschach oder in Radkersburg wohnt, ist es halt wirklich ein zeitlicher Aufwand, wenn man mit den Öffis unterwegs ist. Bis es soweit ist, dass die Öffis soweit ausgebaut sind, dass es attraktiv ist für die Pendlerinnen und Pendler, wird es einen A9-Ausbau geben müssen.“

Peter Gspaltl ist Geschäftführer des Verkehrsverbund Steiermark. Er hält fest, „dass wir gerade das Angebot auf der S-Bahn und im Bus-Bereich massiv ausgebaut haben, und das Angebot ist in Kombination mit dem Klimaticket ein sehr gutes. Es geht eigentlich nur darum, dass man es auch nutzt“.

Individualverkehr vs. Anbauflächen?

Der Ausbau der Gewerbeflächen entlang der A9 vom Cargo Center bis zum 100.000 m² großen Gewerbepark in Wagna bei Leibnitz, sorgt für zusätzliches Verkehrsaufkommen. Viele ortskundige Verkehrsteilnehmer weichen hingegen immer öfter auf Landstraßen aus und sorgen für wachsenden Verkehr in den umliegenden Ortschaften.

Markus Hillebrand ist Gemüsebauer in Premstätten. Er befürchtet durch den A9-Ausbau noch mehr flächenintensive Gewerbeprojekte auf Kosten von landwirtschaftlichen Flächen. „Ich glaub’, für uns als Landwirte, die den Boden dringend brauchen, ist es wichtig, dass es dann im gleichen Atemzug ein klares Bekenntnis gegen weiteren Bodenverbrauch in der Region gibt, das sind unsere Sorgen als Bäuerinnen und Bauern“, so Hillebrand.

Experten richten Fokus auf Alternativen

Eine klare Aussage für oder gegen den Ausbau der A9 brachte am Freitag auch der runde Tische nicht. Das Fazit der Grünen Klubobfrau im Landtag, Sandra Krautwaschl: „Das Thema muss ganzheitlich diskutiert werden, unter Berücksichtigung weiterer Faktoren wie Klimaschutz oder Raumordnung. Alternativen gibt es demnach sehr wohl – was es nun braucht, ist eine mutigere Politik.“

Runder Tisch zu A9-Ausbau auf Initiative der steirischen Grünen
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Werner Prutsch, Martin Fellendorf, Sandra Krautwaschl, Karl Steininger, Gerlind Weber und Markus Frewein (v.l.).

Am Freitag mit dabei war auch Martin Fellendorf von der TU Graz. Rein vom Verkehrsaspekt betrachtet brauche es die dritte Spur, sagte Fellendorf, aber „wir müssen Alternativen berücksichtigen. Es bräuchte restriktive Maßnahmen wie etwa eine drastische Parkplatzreduktion und Geschwindigkeitsbeschränkungen,“ so der Co-Autor der von der Landesregierung beauftragten Verkehrsstudie, der mehr politischen Mut einforderte.

„Maßnahmen erfordern politisches Rückgrat“

Auch Karl Steininger vom Wegener Center bemängelte, dass die sogenannte dynamische Rückwirkung bisher nicht berücksichtigt wurde, das heißt wie viel zusätzlicher Verkehr durch die weitere Entwicklung hervorgerufen wird. Der Klimaökonom plädierte für eine ganzheitliche Betrachtung: „Als Politik und Gesellschaft sollten wir über Verkehrsfragen hinaus berücksichtigen, wie wir leben wollen. Es braucht einen größeren Blick drauf. Dann wird sofort klar: Ein dritter Fahrstreifen ist nicht alternativlos. Wir entscheiden als Steiermark selber, wohin wir gehen und wie wir in Zukunft leben wollen. Hier braucht es mutigere Politik.“

Die Raumplanerin Gerlind Weber betonte: „Die Steiermark hat ein Problem in der räumlichen Entwicklung. Wir züchten einen Wasserkopf Großraum Graz heran. Während die Bevölkerung hier um zwölf Prozent zunehmen wird, verlieren viele ländliche Regionen ihre Bewohnerinnen und Bewohner.“ Weber kritisiert, das Land habe hier keine koordinative Aufgabe übernommen und müsse sich dringend seiner Koordinationsverantwortung bewusst werden.

Auf dritte Spur folgt noch mehr Verkehr

Werner Prutsch, der Leiter des Umweltamts der Stadt Graz, betrachtet weitere Autobahnfahrstreifen ebenfalls nicht als Allheilmittel: „Die Entlastungswirkung eines solchen Ausbaus ist nur von kurzer Wirkung – in Summe werden wir nämlich eine deutliche Verkehrssteigerung haben. Es ist zu befürchten, dass viele wieder von den öffentlichen Verkehrsmitteln aufs Auto umsteigen, wenn es auf den Autobahnen schneller vorangeht. Genau das können wir uns aber nicht leisten, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen.“

Zukunftsmodell: Fahrradzonen zwischen Gemeinden

Wesentliches Potenzial sieht der Verkehrsplaner Markus Frewein von Verkehrplus vor allem in den Gemeinden: „30 Prozent des Autoverkehrs findet zwischen den Gemeinden statt. Das ist ein unglaubliches Potenzial für den Radverkehr und den öffentlichen Verkehr. Wenn wir eine sichere und durchgängige Radinfrastruktur in den Gemeinden schaffen, bieten wir allen eine Chance, das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel zu nutzen. Die Erfahrungen mit der ersten Fahrradzone Fernitz – Mellach zeigen unglaublich positives Feedback.“

Krautwaschl sprach sich erneut für eine Enquete, also einer Debatte von Politikern, Fachleuchten und Zivilgesellschaft im Landtag aus.