Der Angeklagte, im Rahmen eines Prozesses gegen einen Polizist, der seinen Kommandanten am Posten in Trieben erschossen haben soll, aufgenommen am Dienstag, 20. Februar 2024, am Landesgericht in Leoben.
APA/KARIN ZEHETLEITNER
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Gericht

20 Jahre Haft für Polizistenmord

Jener Polizist, der vor knapp einem Jahr im obersteirischen Trieben seinen Postenkommandanten direkt am Arbeitsplatz erschossen haben soll, ist am Dienstag im Landesgericht Leoben schuldig gesprochen worden. Der Mann erhält eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren.

Der damals 46-Jährige hatte vier Schüsse aus seiner Dienstwaffe vom Typ Glock 17 auf seinen Vorgesetzten abgegeben und ihn damit getötet, hieß es seitens des Landesgerichts Leoben.

Vier Schüsse bestätigt

Das bestätigte der Angeklagte am Dienstag zum Prozess in Leoben: Vier Schüsse habe er abgegeben, sagte er, drei hätten den Kommandanten getroffen, der letzte Schuss traf den Kopf des Postenkommandanten. Die Staatsanwaltschaft sprach von einer „kaltblütigen Hinrichtung“. Der Angeklagte bekannte sich schuldig im Sinne der Anklage.

Der Angeklagte, im Rahmen eines Prozesses gegen einen Polizist, der seinen Kommandanten am Posten in Trieben erschossen haben soll, aufgenommen am Dienstag, 20. Februar 2024, am Landesgericht in Leoben.
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Drohende interne Anzeige

Der Angeklagte musste sich wegen des Verbrechens des Mordes verantworten. Motiv für die tödlichen Schüsse sei eine drohende interne Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gewesen, sagte der Angeklagte: Er habe einen Arbeitsunfall aufgenommen, diesen aber trotz mehrmaliger Aufforderung nicht protokolliert.

Außerdem ging es um eine ausständige Krankenstandsbestätigung. Eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs stand im Raum. Die Folge war eine Aussprache zwischen dem Kommandanten und dem Angeklagten. Nach dem offenbar ruhigen Gespräch verließ der Polizist den Raum des Chefs, um wenig später mit seiner Dienstwaffe in der Hand zurückzukehren. Dann fielen die Schüsse. Von einem anwesenden Kollegen ließ sich der Mann dann widerstandslos festnehmen – mehr dazu in Neun Monate nach Polizistenmord: Anklage fast fertig (27.11.2023).

„Kann es mir selbst nicht erklären“

„Es ging mir nicht gut, ich war enttäuscht darüber, dass es zu einer Anzeige kommt“, schilderte der Angeklagte am Dienstag vor Gericht leise und stockend. Er hatte in der Zwischenzeit ein anderes Gespräch geführt und war nach einigen Minuten zu seinem Chef zurückgekehrt.

„Was ist da mit Ihnen passiert?“, fragte der Richter. „Ich habe meine Waffe geholt und wollte zur Ärztin wegen der Krankenstandsbestätigung, habe mich dann aber umentschieden. Ich bin ins Büro des Postenkommandanten gegangen und wollte ihn bitten, ob es möglich wäre, doch keine Bestätigung zu bringen.“ Möglicherweise habe er auch die Sache mit der Anzeige zur Sprache gebracht, meinte der 47-Jährige. Der Chef beharrte auf der Anzeige, von der Bestätigung wollte er absehen.

„Ich habe die Waffe gezogen und mir selbst an den Schädel gehalten“, erzählte er. „Und dann?“, wollte der Richter wissen. „Ich kann es mir selbst nicht erklären, dann habe ich ihn erschossen.“

Ankläger sprach von Kaltblütigkeit

„Er hat ihn kaltblütig und brutal hingerichtet“, sagte der Staatsanwalt. Der Beschuldigte feuerte aus einer Entfernung von 1,4 Metern aus seiner Dienstwaffe auf seinen Chef. Der erste Schuss ging in den Oberkörper; der Schwerverletzte versuchte zur Tür zu kriechen. Der zweite Schuss drang in den Unterkiefer ein, der Getroffene versuchte, hinter seinem Schreibtisch Schutz zu suchen. Der dritte Schuss war ein Kopfschuss. „Der Angeklagte ließ ihm keine Chance“, beschrieb der Ankläger.

Anschließend ging sich der Angeklagte die Hände waschen und sagte zu seinem Kollegen: „Ich habe den Chef erschossen. Du brauchst keine Angst haben, es ist alles vorbei.“ Er ließ sich widerstandslos festnehmen. Nach Angaben des Kollegen zeigte der Verdächtige keinerlei Gemütsregung. „Das ist richtig“, bestätigte der Beschuldigte. „Tut es Ihnen leid?“, fragte der Verteidiger. „Ja“, so der Angeklagte kaum hörbar.

Zeuge: „Dachte, ich bin der Nächste“

Als Zeuge wurde jener Polizist gehört, der den Mann nach der Tat festgenommen hatte und der nach wie vor in Therapie ist. Er hörte die Schüsse und „ich dachte, ich bin der Nächste“, erzählte er unter Tränen. Doch sein Kollege habe nur gesagt: „Leg’ mir die Handschellen an, ich hab’ den Chef erschossen!“ Durch die offene Bürotüre habe er dann den Kommandanten in einer Blutlacke liegen gesehen, erinnerte sich der Zeuge.

Der Verteidiger hatte die Zuhörer zu Beginn gewarnt: „Es ist schwere Kost, was Sie heute zu hören bekommen. Ich verteidige nicht die Tat, ich vertrete seine Rechte.“

Lokalaugenschein in Trieben

Höchststrafe

Insgesamt waren acht Zeugen zum Prozess geladen. Ein Urteil der Geschworenen fiel in den frühen Nachmittagsstunden. Der Mann erhielt die Höchststrafe von 20 Jahren Haft und erbat sich Bedenkzeit. Die acht Geschworenen stimmten einstimmig für einen Schuldspruch. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, das Urteil ist nicht rechtskräftig.