Mikroplastik ist im Gegensatz zu Nanoplastik noch mit freiem Auge zu erkennen
APA/GEORG HOCHMUTH
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Wissenschaft

Mikroplastik könnte Metastasen fördern

Forscher aus Wien und Graz haben untersucht, wie sich Mikroplastik im Körper auswirkt. Dabei hat sich herausgestellt, dass Mini-Partikel bei Zellteilung weitergegeben werden können und so möglicherweise die Ausbreitung von Krebs begünstigen.

Die Forscher rund um Studienleiterin Verena Pichler vom Department Pharmazeutische Chemie der Universität Wien und der Grazer CBmed GmbH schätzen die wöchentliche Einnahmemenge von Plastikpartikeln auf bis zu fünf Gramm. Das entspricht in etwa dem Gewicht einer Kreditkarte.

Teilchen landen häufig im Darm

Im Rahmen eines von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützten Projektes den Spuren von Mikro- und Nanoplastikpartikeln im Körper nach. Dabei konzentrierte man sich auf den Magen-Darm-Trakt, wo aufgenommene Kunststoffteilchen häufig landen. Eine der zentralen Fragen ist hier, ob, wie lange und in welcher Anzahl sie dort potenziell auch bleiben können und welche Konsequenzen das hat.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter konzentrierten sich zu diesem Zweck auf vier Zelltypen, die bei Kolorektal-Tumoren – einer Darmkrebs-Art – bei Menschen auftreten. Diese verschiedenen Zelllinien setzte das Team dann Plastikpartikeln in verschiedenen Größen aus, heißt es in der Arbeit.

Partikel dringen bis in die Zellen ein

Aus anderen Studien gab es bereits Hinweise, dass vor allem sehr kleine Partikel unter einem Durchmesser von zwei oder einem Mikrometer – ab letzterem Bereich spricht man bereits von Nanoplastik – gut in Zellen eindringen können, erklärte Pichler gegenüber der APA. Auch im Rahmen ihrer Untersuchung zeigte sich nun, dass Mikro- und Nanoplastikpartikel wie auch andere Abfallprodukte im Körper von winzigen „Organen“ innerhalb der Zellen – den Lysosomen – aufgenommen werden. Diese sind eigentlich dafür zuständig, Fremdkörper abzubauen. An den Mikroplastikpartikeln – die Wissenschafter verwendeten Kügelchen aus Polystyrol – bissen sie sich aber die Zähne aus.

Dass sich so kleine Teilchen derart einfach in Zellen einnisten können, war für Pichler auch „wenig überraschend“. Die Forscherin kommt aus dem Bereich des medizinischen Wirkstoff-Designs, wo der Zugang, mit Nanopartikeln Medikamente zielgerichtet in Zellen zu bringen, bereits länger verfolgt wird. Warum sich also Nanoplastik und Nanopartikel hier unterscheiden sollten, leuchte nicht unbedingt ein.

Als bedenkliche Stoffe eingestuft

Dementsprechend beschreiben die Wissenschafterin und Kollegen nun, dass das Plastik sogar bei der Zellteilung an neu gebildete Zellen weitergegeben werden könne. Durch die hohe Aufnahme und den langen Verbleib im untersuchten Gewebe „erfüllen die untersuchten Partikel zwei von drei Merkmalen in der Toxikologie, die im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH als bedenkliche Stoffe eingestuft werden“, so die Neurochemikerin.

Belastete Tumorzellen fördern Metastasten

Darüber hinaus fand das Team erste Anzeichen dafür, dass mit Plastik belastete Tumorzellen leichter im Körper migrieren können und damit bei der Bildung von Metastasen quasi helfen können. Erste Labordaten aus Nachfolgeuntersuchungen stützen die Hypothese, wonach sich die Beschaffenheit der Zellen leicht verändert. So scheinen die eindringenden bzw. eingeschlossenen Plastikpartikel die Außenhaut der Zellen – die Zellmembran – weniger fest zu machen. Das erschwere wiederum das Anwachsen der Zellen aneinander, und erleichtert das „freie Herumschwimmen“ der Tumorzellen im Körper, erklärte Pichler.

„Vor dem Hintergrund der Allgegenwart von Kunststoffen in der Umwelt und der anhaltenden Exposition auch des Menschen durch kleinste Plastikpartikel sind dringend weitere Studien erforderlich, um insbesondere Langzeitauswirkungen zu untersuchen“, so Kenner. Für Pichler ist angesichts der Erkenntnisse „davon auszugehen, dass von MNP eine chronische Toxizität ausgeht“.