Justizanstalt Karlau Umbau
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Kultur

Karlau-Häftlinge inszenieren Theaterabende

Vorhang auf heißt es sinnbildlich am Donnerstag in der Justizanstalt Graz-Karlau: Regisseurin Julia Gratzer hat gemeinsam mit Strafgegangenen eine Theaterproduktion entwickelt, die auch für Publikum von außerhalb der Gefängnismauern zu sehen sein wird.

Das Projekt wurde vom Leiter der Justizanstalt, Brigadier Gerhard Derler, sowie dem Seelsorger der Karlau, Josef Riedl, zusammen mit Gratzer ins Leben gerufen. Bei einer Ausschreibung im Frühjahr 2023 hatten sich interessierte Häftlinge melden und an einem Auswahlworkshop teilnehmen können – gesucht wurden Schauspieler, Sänger, Musiker, Schreiber ohne und mit künstlerischen Vorlieben und Erfahrungen.

Schauspielerische Erfahrung konnte zwar keiner der Insassen vorweisen, aber so mancher brachte zumindest Bühnenerfahrung mit, so Gratzer: Während manche zu Schulzeiten auf der Bühne gestanden sind, haben andere Gitarre oder Trommeln vor Publikum gespielt. Seit Oktober trainieren nun neun Männer wöchentlich für etwa drei Stunden gemeinsam unter der Anleitung von Gratzer in der Justizanstalt Karlau „ihre Stimmen, Körper und nebenbei auch das soziale Miteinander“, so die Initiatoren.

„Nicht mehr gewohnt zuzuhören“

Die Inszenierung „Biedermann und die Brandstifter. Ein Lehrstück der Karlau Über-wachen und Verschlafen“ verspricht jedenfalls ungewöhnliche Abende: Das Drama von Max Frisch wurde auch gemeinsam mit und von den Häftlingen teils mit eigenen Texten sowie mit biografischen Elementen abgeändert, schildert die Regisseurin.

Für die Grazer Gefängnis Fassung des frisch Dramas hat der Akkordeonist Lothar Messer Musik komponiert. Die Schriftstellerin Andrea Stift Laube hat den Originaltext etwas adaptiert. Die Grundaussage bleibt aber bestehen, so die Regisseurin: „Es geht eigentlich um die Aussage, wach zu sein und wachsam zu bleiben, in der Welt, in der wir leben.“

Biedermann und die Brandstifter

Premiere ist am Donnerstag, weitere Aufführungen gibt es am 19., 23. und 24. April.

Die Unterschiede zu anderen Produktionen seien abgesehen von den Räumlichkeiten auch im Tagesablauf und im Umfeld zu finden: „Für manche, die schon viele Jahre eingesperrt sind, war es schwierig, kreativen Freiraum zu entwickeln und auch das Selbstbewusstsein für die Bühne zu erlangen“, so die Theaterpädagogin. Unterschiede sieht die Soziologin auch beim Miteinander und der Konzentrationsfähigkeit der Menschen im Gefängnis: „Dass ihnen jemand zuhört, sind sie gar nicht mehr gewohnt.“

„Hoch motiviert“

Ihre Schauspieler seien jedenfalls „hoch motiviert“, und für sie eine wahre „Wunschtheatergruppe“: „Das ist auch die große Kraft, die das trägt“, betont Gratzer. Ein Schauspieler schildert: „Anfangs wurde das belächelt. Von Insassen und Beamten. Aber mittlerweile hat sich das ganze Blatt gewendet. Jetzt will auf einmal jeder teilnehmen.“

Dem Theaterstück ging übrigens ein Pilotprojekt eines Häfentheaters voraus: Das Hörspiel „Acht liederliche Türmer“ wurde für das Grazer Kulturjahr 2020 mit elf Insassen der Justizanstalt digital erarbeitet und anschließend bei „Hörspaziergängen“ rund um die Gefängnismauern über einen Zeitraum von sechs Monaten für mehr als 4.000 Personen erlebbar gemacht – mehr dazu in Theater entlang der Karlau-Mauern (6.1.2022).