Angeklagten mit dem Leiter des Krankenhauses vor Prozessbeginn
APA/Ingrid Kornberger
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Chronik

Hebammen-Prozess: Alle Angeklagten freigesprochen

Drei Hebammen und ein Gynäkologe sowie das Diakonissenkrankenhaus (DKH) Schladming als Verband haben sich am Mittwoch wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger schwerer Körperverletzung vor dem Strafgericht in Leoben verantworten müssen. Alle Angeklagten wurden – nicht rechtskräftig – freigesprochen.

In der Causa war es um mehrere Fälle gegangen, die sich zwischen 2010 und 2014 in dem obersteirischen Krankenhaus zugetragen hatten: Vier Frauen hatten im Juli 2019 in einer Pressekonferenz in Graz berichtet, dass es bei der Geburt ihrer Kinder im DKH zu schwerwiegenden Komplikationen gekommen sei – ein Neugeborenes starb, ein anderes Kind ist heute schwerstbehindert.

Angestrengt wurden dann Strafverfahren gegen drei Hebammen, einen Gynäkologen und das Spital selbst. Der Vorwurf lautete, die Hebammen hätten Fachärzte nicht oder zu spät zu Hilfe gerufen – mehr dazu in Geburtenstation Schladming: Mütter klagen an (4.7.2019). Das Verfahren war bereits eingestellt, wurde aber nach einer Beschwerde durch die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht weitergeführt.

Laut Richter „weit“ von Verurteilung weg

Der Sachverständige schilderte am Mittwoch mehr als eine Stunde lang in jedem der fünf Fälle, warum die Hebammen und der Arzt stets „innerhalb der therapeutischen Bandbreite“ gearbeitet hätten. Der Gynäkologe war in einem Fall nicht einmal bei der angeklagten Geburt dabei. Im Fall des gestorbenen Babys meinte der Gutachter: „Es war keine Chance für den Arzt, rechtzeitig zu entbinden. Der dramatische Fall war keine Schlamperei, sondern hätte auch in einem Universitätsklinikum noch schlechter ausgehen können.“

Der zuständige Richter meinte in seiner Begründung, dass im Strafrecht nun mal eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliegen muss, dass der Schaden nicht entstanden wäre. Das sei in dem Fall keineswegs gegeben: „Von einer Verurteilung sind wir weit, weit weg.“

Problematischen Vorgaben für Geburten

Er kritisierte den Bescheid des Amts der steiermärkischen Landesregierung. Dieser sah vor, dass zum einen bei jeder Geburt ein Facharzt beigezogen werden müsse, zum anderen sei es aber erlaubt, wenn ein Facharzt in Bereitschaft innerhalb von 30 Minuten im DKH und in 20 weiteren Minuten dann bei der Geburt sein könne. „Ich brauche kein Sachverständiger sein, um zu wissen, dass das absoluter Wahnsinn ist.“ In diesen 30 Minuten sah er die Hauptursache. „Es muss immer was passieren, dass sich etwas ändert.“ Die entsprechenden Vorgaben seien mittlerweile geändert worden, heißt es.

Der Gesetzgeber hätte laut dem Richter zudem versucht, seine Schuld abzuwälzen: „Das Land wusste von der Problematik und, dass es eine Katastrophe ist, wenn was passiert.“ Dem Spital sei kein Vorwurf zu machen. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab.

Angeklagte bekannten sich nicht schuldig

Bei Prozessbeginn am Mittwochvormittag sah keine der Angeklagten eine Schuld bei sich. Die Verteidiger gestanden zu, dass der Tod eines Babys und Komplikationen immer tragisch seien, aber das rechtfertige nicht, dass die durchgehend langjährigen und erfahrenen Hebammen nun der grob fahrlässigen Tötung oder der fahrlässigen Körperverletzung bezichtigt würden.

Angeklagten mit dem Leiter des Krankenhauses vor Prozessbeginn
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Die Angeklagten mit dem Leiter des Krankenhauses vor Prozessbeginn

Eine Verteidigerin einer Hebamme meinte: „Da ist nun ein Versuch, die Verantwortung auf die Kleinsten abzuwälzen. Die Verantwortung lag bei der Legislative.“ Die Komplikationen seien „schicksalhaft“ gewesen und es hätten Ausnahmesituationen angesichts der strukturellen Rahmenbedingungen geherrscht. Strafrechtliches Verhalten liege jedenfalls nicht vor, so die Anwältin.

Ein Kind starb bei Geburt, weiteres schwer pflegebedürftig

Die Anklage warf einer Hebamme vor, im Juli 2014 den Tod eines Babys verursacht zu haben. Die kleine Gloria kam im Juli 2014 in Schladming zur Welt – es war das zweite Kind der Mutter, und „es ging mir von Anfang an mit den Wehen nicht gut“, schilderte sie im Juli 2019 vor Medien. Der Hebamme wurde vorgeworfen, dass sie den diensthabenden Gynäkologen zu spät gerufen habe – als er eintraf, war Gloria schon fast eine Stunde nicht mehr am Leben.

Bei einem Zivilprozess bot das DKH einen Vergleich an – die Mutter erhielt 35.000 Euro, sie hat sich daher dem Strafprozess nicht mehr angeschlossen. Das galt auch für eine andere Mutter, deren Tochter bei der Geburt im Jahr 2010 in Schladming schwere gesundheitliche Schäden mangels Sauerstoff davontrug – sie schloss ebenfalls bereits einen Vergleich mit dem Spital und erhielt vorerst 460.000 Euro. Ihre Vanessa ist heute neun Jahre alt und hat Pflegestufe sieben. Die drei angeklagten Hebammen wurden beschuldigt, zu spät den Facharzt gerufen zu haben.

Marion B., Stefanie Z., Rechtsanwältin Karin Prutsch, Bianca F., Claudia K. anlässlich einer Pressekonferenz mit dem Thema „Strafverfahren gegen drei Hebammen des Diakonissenkrankenhauses Schladming“ in Graz.
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Die anklagenden Mütter mit der Grazer Anwältin Karin Prutsch im Juli 2019

„Gynäkologe war nicht erreichbar“

Angeklagt war auch ein Gynäkologe: Er soll die Verabreichung von Blutkonserven unterlassen haben und in einem anderen Fall Plazentateile im Körper der Patientin gelassen haben. Die Frau war mit 38 spätgebärend – als sie mit Wehen ins Spital kam, sei eine Hebamme da gewesen, die gerade eine andere Geburt durchführte, eine weitere Frau wartete bereits mit Wehen, und kurz nachdem es bei ihr losging, sei schon die nächste Schwangere mit Wehen eingetroffen.

„Es war eine Hebamme für zwei zeitgleiche Geburten da, und der Gynäkologe war nicht erreichbar“, schilderte die Frau im Juli 2019. Sie brachte ihr Kind im Wasser zur Welt, doch die Plazenta löste sich nicht; dann habe sich doch etwas gelöst, aber es passte nicht, und sie hatte einen Blutsturz – sie verlor viel Blut und lag dann auf der Intensivstation.

Strafverfahren war bereits eingestellt

Im April war das Verfahren zunächst eingestellt worden – mehr dazu in Strafverfahren gegen Hebammen eingestellt (26.4.2020), doch dagegen brachte die Staatsanwaltschaft eine Beschwerde ein. Diese wurde vom Oberlandesgericht stattgegeben, weshalb es nun am Mittwoch zur Verhandlung kommt. Neben der Befragung der Angeklagten ist auch die Gutachtenserstattung des Sachverständigen für Gynäkologie und Geburtshilfe geplant; danach sollte es bereits ein Urteil geben.