Razzien gegen Muslimbrüder und Hamas
APA/ERWIN SCHERIAU
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Chronik

Operation „Luxor“ gegen Muslimbrüder und Hamas

Unter dem Titel „Luxor“ haben Montagfrüh 930 Polizisten unter der Führung der Staatsanwaltschaft Graz eine Großrazzia gegen Muslimbrüder und Hamas in Österreich durchgeführt. Dabei gab es mehr als 60 Hausdurchsuchungen in vier Bundesländern.

Laut Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ermitteln die Grazer Behörden gegen mehr als 70 Beschuldigte sowie mehrere Vereine und Gesellschaften, die verdächtigt werden, Mitglieder der terroristischen Vereinigungen Muslimbruderschaft und Hamas zu sein und diese zu unterstützen – mehr dazu in Großrazzia gegen Muslimbruderschaft (news.ORF.at).

Über 60 Wohnungen durchsucht, 30 Personen „festgesetzt“

In mehr als 60 Wohnungen, Wohnhäusern, Geschäfts- und Vereinsräumen in der Steiermark, in Kärnten, Niederösterreich und in Wien führten Montagfrüh Beamte Durchsuchungen durch, in der Folge wurden 30 Personen festgesetzt, sie sollen „zur sofortigen Vernehmung“ den Behörden vorgeführt werden. Bislang wurden keine bestimmten Orte oder Vereine, die Ziel der Razzien waren, genannt, auch nicht, ob es sich bei den zur Vernehmung festgesetzten Personen um Männer oder Frauen handle. Es soll sich um Kultur- und andere Vereine handeln, bei einigen sei ein Gebetshaus bzw. eine Moschee angeschlossen.

Razzien gegen Muslimbrüder und Hamas
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Keine Waffen, aber viel Geld gefunden

Laut Innenminister Nehammer (ÖVP) waren österreichweit 930 Beamte in die sogenannte Operation „Luxor“ eingebunden. Es waren neben den regulären Einheiten auch Spezialkräfte wie Diensthundeführer, Kriminalpolizisten und Leute vom Landesamt für Verfassungsschutz dabei. Sichergestellt wurden elektronische Geräte wie Handys und Computer, aber auch einfache Dokumente sowie Bargeldbeträge in Millionenhöhe; zudem wurden mehrere Konten der betroffenen Vereine und verdächtigen Personen eingefroren. Waffen oder Sprengstoff seien allerdings nicht gefunden worden.

Nehammer: „Zutiefst gefährlich“

Der Innenminister nannte bei einer Pressekonferenz am Montag die Muslimbruderschaft „zutiefst gefährlich“: Sie versuche, die Demokratie auszuhebeln, „die Scharia einzuführen, die Grund- und Freiheitsrechte, die uns lieb und teuer geworden sind, zu bekämpfen“; es geht demnach unter anderem um den Verdacht der Terrorfinanzierung, der Bildung einer terroristischen bzw. kriminellen Vereinigung und der Geldwäsche.

Razzien bei Muslimbruderschaft: Millionenbeträge wurden sichergestellt

Montagfrüh wurden im Rahmen der Operation „Luxor“ Wohnungen, Vereine und Firmen durchsucht, Konten eingefroren und Vermögen sichergestellt. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) informiert in einer Pressekonferenz über die Terrorrazzien.

Die Staatsanwaltschaft Graz betonte schon im Vorfeld der Pressekonferenz, dass die Aktion in keinem Zusammenhang mit dem Terroranschlag vor einer Woche in Wien steht und sich auch nicht gegen Muslime oder die Religionsgemeinschaft des Islam richtet. Die groß angelegten Razzien seien „umfangreiche und intensive, über ein Jahr dauernde Ermittlungen“ des führend zuständigen Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Steiermark zusammen mit dem LVT Wien vorangegangen; eingebunden waren auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und die LVT Kärnten und Niederösterreich.

„Keine Religionsgemeinschaft“

Was die Staatsanwaltschaft Graz weiter festhält: Die Muslimbruderschaft sei keine Religionsgemeinschaft, sondern stehe für religiös motivierten, politischen Extremismus. Die Ziele der Vereinigung „sind mit den Grundprinzipien der Verfassung der Republik Österreich und der österreichischen Gesellschaft sowie allgemein mit dem westlichen Demokratieverständnis von Koexistenz, Gleichstellung von Männern und Frauen und politischer Ordnung nicht kompatibel.“

Nehammer: „Schlag gegen Nährboden des Extremismus“

Mit den Razzien seien Montagfrüh „Wurzeln des politischen Islams gekürzt“ worden, so Nehammer: „Wir gehen gegen diese kriminellen, extremistischen und menschenverachtenden Organisationen mit aller Härte und allen Möglichkeiten des Rechtsstaats vor. Durch die intensive Arbeit der Polizistinnen und Polizisten ist uns ein Schlag gegen den Nährboden des Extremismus gelungen. Personen, die im Verdacht der terroristischen Vereinigung, der Terrorismusfinanzierung, der staatsfeindlichen Verbindungen, der kriminellen Organisation und der Geldwäscherei standen, waren Ziel der Aktion.“

Auch Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) kündigte weiteres Vorgehen an: „Auch aus Integrationssicht ist es gefährlich, wenn sich der Einfluss des politischen Islam aus dem Ausland mittels Vereinigungen wie den Muslimbrüdern bis nach Österreich erstreckt“. Sie spricht von „staatsfeindlichen Verbindungen, die unsere Demokratie ausnutzen und unterwandern wollen“: „Wir lassen nicht zu, dass extremistisches Gedankengut in Österreich verbreitet wird und werden auch weiterhin konsequent dagegen vorgehen.“

Kunasek: „Razzien verdeutlichen Gefahr“

Für die steirischen Freiheitlichen sind die Durchsuchungen Beleg dafür, dass die Islamisten-Szene in der Steiermark eine dauerhafte Bedrohung darstellt: "Die Razzia zeigt eindeutig, dass es sich bei der Islamisten-Szene nicht nur um ein paar Einzelfälle handelt, sondern um strukturierte Gegengesellschaften, die unsere Wertegemeinschaft mit Gewalt bekämpfen wollen. Die bevorstehende Sozialhilfereform in der Steiermark muss es zum Ziel haben, ausländische, fundamentalistische Religionsfanatiker vom Leistungsspektrum der sozialen Unterstützung auszuschließen“, so der steirische FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek, der auch das Schließen des islamischen Kulturzentrums Graz sowie klare Worte von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) fordert.

Weiters will die FPÖ erneut die sofortige Umsetzung eines steirischen Islamismusberichts, die Einsetzung eines Landes-Sicherheitsbeirats, die Auflösung sämtlicher radikaler Moscheen sowie die konsequente Ausweisung aller ausländischen Gefährder. Darüber hinaus muss es künftig auch möglich sein, Dschihad-Rückkehrern die österreichische Staatsbürgerschaft abzuerkennen – mehr dazu in Terror in Wien: FPÖ will Landes-Sicherheitsbeirat (5.11.2020) und in FPÖ fordert Schließung steirischer Moscheen (6.11.2020).

„Presse“: Kickl brachte Operation in Gefahr

Die „Luxor“ genannte Aktion war bereits in der Vorwoche bekannt geworden: Sie trug zunächst den Namen Operation „Ramses“. Die lange vorbereitete Aktion drohte laut „Presse“ aber in letzter Minute zu scheitern: Der ehemalige Innenminister und nunmehrige FPÖ-Klubchef Herbert Kickl habe die Operation „Ramses“ vergangene Woche an die Öffentlichkeit „geleakt“ und sie in Verbindung mit dem Terroranschlag in der Wiener City gestellt. Die Hausdurchsuchungen hätten sich aber nicht gegen Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gerichtet.

„Kickls Halbwissen hatte die Operation, V-Männer und verdeckte Ermittler in große Gefahr gebracht und die Szene wachgerüttelt“, schrieb die „Presse“. Woher Kickl diese Informationen hatte, sei Gegenstand von Ermittlungen.

Anschlag in Wien: Observation Mitte Juli abgebrochen

Zu dem Treffen mehrerer Terrorverdächtiger Mitte Juli in Wien wurden am Montag weitere Details bekannt: Der spätere Attentäter von Wien und sein Netzwerk wurden tagelang vom Verfassungsschutz observiert – bis der 20-Jährige in die Slowakei reiste. Just als der Attentäter am 21. Juli in der Slowakei Munition für sein Sturmgewehr kaufen wollte, stellte der Verfassungsschutz die Observationen ein – mehr dazu in Observation Mitte Juli abgebrochen (news.ORF.at).