Siegfried Nagl (ÖVP)
APA/ERWIN SCHERIAU
APA/ERWIN SCHERIAU
Graz-Wahl

Nagl-Rücktritt: Eine Ära geht zu Ende

Über 18 Jahre lang war Siegfried Nagl (ÖVP) Bürgermeister von Graz – nach der Wahlschlappe bei der Gemeinderatswahl am Sonntag nahm er seinen Hut. Damit geht eine Ära zu Ende.

223.512 Grazerinnen und Grazer waren am Sonntag aufgerufen, einen neuen Gemeinderat zu wählen – und das Ergebnis ist überraschend: Die KPÖ überholte die ÖVP und übernahm klar Platz eins – mehr dazu in Erdrutsch in Graz: KPÖ auf Platz eins. In der ORF-TV-Sondersendung kündigte daraufhin Bürgermeister Nagl seinen Rücktritt an – mehr dazu in Bürgermeister Nagl tritt zurück.

Siegfried Nagl tritt zurück

In der ORF-TV-Sondersendung zur Grazer Gemeinderatswahl kündigte der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) seinen Rücktritt an.

Nagl hatte als jugendlicher Quereinsteiger im Jahr 2000 eine schwächelnde ÖVP übernommen, die sogar hinter die FPÖ zurückgefallen war, und schaffte es, sie im Jahr 2003 auf Platz eins zu führen – nach der Ära von SPÖ-Langzeitbürgermeister Alfred Stingl, der auch als Nagls Mentor bezeichnet wird.

Wuchs in die Rolle des umsichtigen Stadtoberhaupts

Passierten ihm zu Beginn seiner Amtszeit noch Ausrutscher minderheiten- und fremdenfeindlicher Tendenz, wuchs er zunehmend in die Rolle des umsichtigen Stadtoberhaupts, das sich um ethnische und religiöse Integration bemüht – diverse Verbote und Beschränkungen wie das Bettelverbot brachten ihm von der Opposition dennoch Kritik ein.

Hatte Nagl in seiner ersten Periode noch das Problem, gegen eine rot-dunkelrote Mehrheit im Stadtsenat und eine rot-dunkelrot-grüne im Gemeinderat zu regieren, folgte 2008 die Koalition mit den Grünen: Mit ihnen und Vizebürgermeisterin Lisa Rücker gab es in Sachen Bettel- und anderer Verbote, Verkehr, Umweltzone und Murkraftwerk Sollbruchstellen, die man zunächst gemeinsam umschiffte, die letztlich aber doch nicht hielten – die Wahl wurde vorverlegt.

Für Alleingänge zu stimmenschwach

Bei der Gemeinderatswahl 2012 musste Nagl Federn lassen, hielt jedoch den ersten Platz: Seine ÖVP kam bei einem Minus von 4,63 Prozentpunkten auf 33,74 Prozent und erhielt 17 Sitze im 48-köpfigen Gemeinderat sowie drei Stadtsenatssitze. In der Folge wurde eine Zusammenarbeit mit FPÖ und SPÖ ausgehandelt. Aus dieser stiegen die Freiheitlichen aus, die KPÖ sprang ein, dennoch war im Herbst 2016 Schluss: Die KPÖ trug das Budget u. a. wegen des Dauerbrenners Murkraftwerk nicht mit, ein anderer Partner fand sich nicht mehr.

Somit ähnelte Nagls Situation Anfang 2017 jener im Jahr 2012: Für Alleingänge zu stimmenschwach und mit einem zerrütteten Verhältnis zu KPÖ, Grünen und auch FPÖ, ersuchte er im schlappen Wahlkampf die Bürger, ihm ein deutliches Mandat zu erteilen. Der Stimmenzuwachs war zwar vorhanden, und mit 37,79 Prozent gelang ihm auch klar der erste Platz, doch von einer alleinigen Stimmenmehrheit war man weit entfernt – daher einigte sich Nagl mit FPÖ-Spitzenmann Mario Eustacchio auf ein Koalitionsübereinkommen.

Nagl-Rücktritt: Eine Ära geht zu Ende

Siegfried Nagl (ÖVP) war 18 Jahre lang Bürgermeister der Stadt Graz. Nach der für die ÖVP erschütternden Gemeinderatswahl, tritt er jedoch zurück. 12,5 Prozent hat die ÖVP verloren. Eine Ära geht zu Ende.

Geplant war die „Agenda 22“, doch der Bürgermeister verlegte die Wahl schon in den Herbst 2021 und erzürnte damit den blauen Partner, der davon aus den Medien erfahren hatte. Die Wahl am 26. September war nun seine letzte als Stadtoberhaupt.

Druck nahm zu

Nagl genoss lange Ansehen in der Bevölkerung, wozu wohl auch sein einfühlsames und klar positioniertes Verhalten bei der Amokfahrt in Graz im Juni 2015 beitrug. Zuletzt erhöhte sich aber der Druck auf ihn: In den vergangenen Jahren blieben einige seiner Projekte nicht mehr als Seifenblasen, die zerplatzten oder mangels politischen Konsenses verschoben werden mussten – Stichwort Bienenstockgarage, Mur- und Plabutsch-Gondel, auch Nagls U-Bahn-Pläne stießen auf heftigen Widerstand.

„Beton-Siegi“

So manche kritisierten ihn wegen der hohen Verbauungsdichte und des mangelnden Grünraums als „Zubetonierer“ bzw. als „Beton-Siegi“, auch der Baustart für das umstrittene Murkraftwerk just am Tag nach der Gemeinderatswahl im Februar 2017 war umstritten. Über die durch den Bau geschaffenen Erholungszonen an der Mur – Stichwort Augartenbucht – wird noch heute gestritten, andere wiederum schätzen die neu entstandenen Zonen am Wasser.

Der studierte Handelsakademiker wurde am 18. April 1963 in Graz geboren und kommt aus dem Innenstadtunternehmen Klammerth. Er hat mit seiner Ehefrau Andrea vier Kinder und ist schon mehrfacher Großvater, wie er stets stolz betont.