Razzien gegen Muslimbrüder und Hamas
APA/ERWIN SCHERIAU
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Gericht

„Operation Luxor“: Beschuldigter will klagen

Vor einem Jahr sind im Rahmen der „Operation Luxor“ mehr als 60 Hausdurchsuchungen bei Muslimbrüdern durchgeführt worden. Die Ermittlungen gegen einen Beschuldigten wurden eingestellt – er will jetzt die Republik klagen.

930 Polizisten waren bei der „Operation Luxor“ von Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft Graz im Einsatz. Hintergrund war und ist der Vorwurf, dass die Muslimbrüder eine Terrororganisation seien – die Beschuldigten aber sprechen von einer politisch motivierten, islamfeindlichen Aktion – mehr dazu in Operation „Luxor“ gegen Muslimbrüder und Hamas (9.11.2021)

Ermittlungen gegen Wiener Imam eingestellt

Das Landesgericht Graz entschied, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen einen Wiener Imam einstellen muss: Es gebe keinen dringender Verdacht, dass er sich einer terroristischen Vereinigung angeschlossen hat – mehr dazu in Ermittlungen gegen Wiener Imam eingestellt (wien.ORF.at, 2.11.2021).

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Arnulf Rumpold, sagt allerdings gegenüber Ö1: „Das Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten wurde eingestellt, wobei seitens der Staatsanwaltschaft Graz überprüft wird, ob dagegen eine Beschwerde erhoben werden wird. Dann entscheidet darüber das Oberlandesgericht.“

Ermittlungen laufen weiter

Jedenfalls ermitteln das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Landesämter Steiermark, Wien und Kärnten und die Staatsanwaltschaft gegen viele andere weiter: „Wir ermitteln gegen ungefähr 70 beschuldigte Personen, darunter auch Vereine, Gesellschaften und Unternehmen. Wir haben massive Datenmengen zu durchsuchen, über 200 Terabyte, also 200.000 Gigabyte an Daten, und natürlich sind viele Unterlagen auch auf Arabisch, die wir alle durch gerichtlich beeidete Dolmetscher zu übersetzen haben“, so Rumpold.

Muslimbruder ist nicht gleich Muslimbruder

Ein zentraler Vorwurf lautet: Die Muslimbrüderschaft sei eine Terrororganisation wegen ihrer Unterorganisation Hamas – einer Terrororganisation mit dem Ziel, Israel zu zerstören. Rechtsanwalt Clemens Lahner, der einen Beschuldigten vertritt, entgegnet: „Es gibt zwar Personen, über die Welt verstreut, zum Beispiel in Syrien, in Libyen, die man als Terroristen bezeichnen kann und die man auch als Muslimbrüder bezeichnen kann. Das heißt aber noch lange nicht, dass die gesamte Muslimbruderschaft eine Terrororganisation wäre, zumal die Muslimbruderschaft sehr zersplittert ist.“

„Einfach mal anklopfen“

Dieser Argumentation, so scheint es, schlossen sich zum Teil das Landesgericht und auch das Oberlandesgericht Graz an. Am Oberlandesgericht ging es im Sommer um neun Hausdurchsuchungen: „Die Hausdurchsuchungen wurden für rechtswidrig erklärt und im Fall unseres Mandanten auch die gewaltsame Öffnung der Tür. Es hätte hier, wenn man schon eine Hausdurchsuchung durchführt, auch ausgereicht, einfach mal anzuklopfen“, so Lahner – mehr dazu in Operation „Luxor“: Razzia teils rechtswidrig (3.8.2021).

Auch eine nach den Hausdurchsuchungen von jungen Musliminnen gegründete Hilfsorganisation für von Polizei traumatisierte Kinder kritisiert das Vorgehen als brutal gegenüber 60 Kindern – ihnen seien außerdem Handys und Laptops abgenommen und teils bis heute nicht zurückgegeben worden.

Experte vermutet politische Motive

Der Dschihadismusexperte und Professor für Orientalistik, Rüdiger Lohlker, meinte am Dienstag, dass wohl die Kontakte zwischen den Ex-Regierungschefs Sebastian Kurz (ÖVP) und Benjamin Netanyahu ein Hintergrund für die „Operation Luxor“ speziell gegen ägyptische Muslimbrüder gewesen seien könnten: „Es ist kein Zufall, dass insbesondere die ägyptischen Muslimbrüder anvisiert worden sind, und wir wissen um die engen Verbindungen zwischen der damaligen österreichischen Regierung und dem damaligen israelischen Regierungschef.“

Imam klagt auf Schadenersatz

Der Imam, der sich zuletzt mit seinem Einstellungsantrag vor Gericht durchgesetzt hat, will nun eine Entschädigung: „Ich mache schon eine große Schadenersatzklage, und schauen wir, was rauskommt. Ich werde auch international die Republik anklagen.“

In einem Punkt setzte sich aber die Staatsanwaltschaft durch: Die umstrittenen Gutachter Heiko Heinisch und Nina Scholz wurden mittlerweile auch vom Gericht als Gutachter bestellt – aber auch dagegen gibt es Einsprüche von Beschuldigten.