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Gesundheit

Maßnahmen-Ende: Was bleibt von Corona?

Am Freitag schließen in der Steiermark die CoV-Impfstraßen. Vor drei Jahren wurden die ersten Infektionen in Österreich registriert – was danach folgte, war beispiellos in der jüngeren Geschichte. Es gibt Lehren, die aus der Pandemie gezogen werden können.

Für die 33-jährige Selina Schilter bedeuten alleine kürzeste Wege eine enorme Anstrengung, denn sie hat Long Covid: „Ich habe eine komplette Körperschwäche, ich habe eine abnorme Erschöpfung, ich habe kognitive Störungen. Mir fallen zwischendurch Wörter, Sätze oder überhaupt nichts mehr ein. Und ich kann meinen Alltag kaum bewältigen.“

Auch im vierten Jahr der Pandemie haben Medizin und Wissenschaft noch keine Antwort auf das Rätsel Long Covid: Geschätzt mehrere hunderttausend Menschen sind allein in Österreich davon betroffen, und laut Schilter brauche es dringend mehr Anlaufstellen und Therapien.

Kinderpsychiatrien spüren Auswirkungen

Die Folgen der Corona-Pandemie führen bis heute auch zu psychischen Belastungen bei vielen Kindern und Jugendlichen, obwohl Lockdown und Homeschooling längst vorbei sind. „Wir haben inzwischen ungefähr 1.200 Krisenaufnahmen, wir hatten vorher ungefähr 800 Krisenaufnahmen pro Jahr – das ist eine deutliche Zunahme von etwa 20 Prozent. Die Patienten kommen primär mit Suizidversuchen, Suizidgedanken oder auch Impulskontrollstörungen im Sinne von Aggressivität“, erzählt Isabel Böge, die Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie am LKH Graz II am Standort Süd.

Das Ende der Corona-Maßnahmen

Am Freitag schließen in der Steiermark die CoV-Impfstraßen. Vor drei Jahren wurden die ersten Infektionen in Österreich registriert – was danach folgte, war beispiellos in der jüngeren Geschichte. Es gibt Lehren, die aus der Pandemie gezogen werden können.

Die Pandemie habe gezeigt, es brauche eine bessere Versorgung in den ländlichen Regionen: „Aus meiner Sicht nimmt man noch mal mit, wie wichtig das soziale Umfeld, das gleichaltrige Umfeld für Kinder und Jugendliche ist, sodass eben Sportvereine oder andere Aktivitäten untereinander inzwischen wirklich gefördert werden sollten“, so Böge.

Pflegeheime ziehen Konsequenzen

Zu Beginn der Pandemie waren Pflegeheime oftmals Hotspots. Das Leben in der „Seniorenhoamat“ in Lassing sei nun aber wieder wie vor Corona. Allerdings habe die Pflege durch die Krise an Aufmerksamkeit gewonnen.

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In vielen Pflegeheimen hat sich die Situation wieder einigermaßen normalisiert

Allerdings habe die Pflege durch die Krise an Aufmerksamkeit gewonnen: „Wir waren noch nie so im Mittelpunkt, und ich glaube, dass auch die Wertigkeit der Pflege auf jeden Fall wieder gesteigert wurde“, sagt Christof Zamberger der ARGE Heime Steiermark.

Eine Lehre aus Corona sei, Schutzausrüstungen und Masken auf Vorrat zu haben – im Keller und in einem Container stapelt sich Karton über Karton.

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Pflegeheime sorgen vor und lagern Schutzausrüstung und Masken selbst, um für schwierige Zeiten gewappnet zu sein

Zamberger meint zu wissen, wie man hierbei noch besser werden könnte: „Es wäre wünschenswert, ein Zentrallager für Schutzausrüstung zu haben, ob das jetzt vom Bund oder vom Land auch gestellt wird, wo wir dann Materialien, die wir teilweise zu horrenden Preisen herbeischaffen haben müssen, auch zu normalen Preisen bekommen.“

Erfahrungen, aber kein „Handzettel“

Anfang 2021 gab es ein Gerangel um die zu wenig vorhandenen Impfstoffe. Im März öffneten dann die ersten Impfstraßen. Harald Eitner war der Koordinator der ersten Stunde: „Wir haben alle an Erfahrung gewonnen. Es wird aber nicht möglich sein, eine Art Handzettel zu schreiben, um für die nächste Pandemie sozusagen etwas in der Schublade zu haben. Jede Katastrophe, jede Herausforderung hat andere Gesichtspunkte und andere Aspekte, und ich denke, dass es nicht möglich sein wird, konkrete Lehren zu ziehen, die man dann umsetzen könnte.“

Am Freitag werden die Impfstraßen abgebaut. Mit der Impfdebatte spaltete sich auch die Gesellschaft. Was die Krise mit den Leuten gemacht hat, beleuchtet der Zeithistoriker Werner Suppanz in seinem Buch „Sozialer Zusammenhalt in der Krise“: „Bestehende Benachteiligungen, schwierigere soziale Situationen, die sind deutlich sichtbar geworden, nicht neu entstanden, aber erkennbarer, sichtbarer. Der zweite Aspekt ist, dass auch bestehende gesellschaftliche weltanschauliche Klüfte deutlich sichtbarer geworden sind.“

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Zeithistoriker Werner Suppanz setzt sich in seinem Buch mit der gesellschaftlichen Umgangsweise mit der Pandemie auseinander

Covid sei keine große Gefahr mehr

Die Gefahr auf einen weiteren Ausbruch von Covid im selben Ausmaß sieht Virologe Klaus Vander aktuell nicht: „Die derzeitigen Zeichen deuten nicht darauf hin, dass es wieder zu so massiven Auswirkungen auf die globale Gesellschaft kommt. Aber wir müssen uns damit auseinandersetzen, wir müssen wachsam sein.“ Die Impfung sei für Risikogruppen aber weiterhin ein gutes Mittel zum Schutz.