Synagoge Graz
APA/INGRID KORNBERGER
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Chronik

Gedenkfeier in Synagoge: KPÖ weiter „unerwünscht“

Der Präsident der jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, hat Politikerinnen und Politiker der KPÖ von den Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des 85. Jahrestages der Novemberpogrome ausgeladen. Die KPÖ respektiert die Entscheidung, „versteht sie aber nicht“ und sucht das Gespräch.

Die jüdische Gemeinde Graz wirft der KPÖ vor, keine klare Stellung zu beziehen und nicht klar für Israel Partei zu ergreifen.

Die KPÖ und Bürgermeisterin Elke Kahr hatten sich erst kürzlich gegen das Hissen einer israelischen Fahne auf dem Grazer Rathaus ausgesprochen und als sichtbares Solidaritätszeichen lediglich den Uhrturm und das Rathaus in den Farben Israels beleuchten wollen; die ÖVP hatte dennoch einen Antrag für die Flagge eingebracht und eine Mehrheit geschafft – mehr dazu in Israelische Flagge auch am Grazer Rathaus gehisst.

Nach tagelanger Diskussion und einem dringlichen Antrag in der vergangenen Gemeinderatssitzung in Graz hängt nun am Grazer Rathaus zum Zeichen der Solidarität eine israelische Flagge.
APA/ERWIN SCHERIAU

Als Reaktion hat nun Elie Rosen in einem E-Mail Politikerinnen und Politiker der KPÖ ersucht, den für 8. November angesetzten Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des 85. Jahrestages der Novemberpogrome 1938 fernzubleiben.

Gerade in der gegenwärtigen Situation terroristischer Angriffe auf den Staat Israel sei es, heißt es in einer Aussendung, für die jüdischen Gemeinden Österreichs besonders wichtig, der Novemberpogrome des Jahres 1938 und der Zerstörung der geistigen Zentren des Judentums im sogenannten „Dritten Reich“ zu gedenken.

„Nicht alles sei gleich, nicht alles darf akzeptiert werden“

Allerdings setze vor allem der „bei der politischen Linken vorzufindende ‚israel-orientierte‘ – ‚als Israel-Kritik getarnte‘ – Antisemitismus“ den Jüdinnen und Juden in Österreich besonders zu: „In Europa müsse keine Moschee, keine Kirche vor Juden oder Israelis bewacht werden, kein Palästinenser vor Israelis oder Juden. Umgekehrt seien Synagogen und jüdische Einrichtungen seit Jahrzehnten erklärte Zielpunkte von vom Hass auf Israel getriebenen Fanatikern, die nicht nur die Zerstörung Israels, sondern vollkommen ungeniert auch die Vernichtung des jüdischen Volkes zu ihren Zielen erklärten“.

Das habe Rosen bei den Anschlägen auf die Grazer Synagoge 2020 am eigenen Leibe verspüren müssen – mehr dazu in Elie Rosen: „Hoffen auf Solidarität“ (22.8.2020) und in Grazer Synagogen-Angriff: Täter zurechnungsfähig (9.12.2020). „Es gelte daher klar Stellung zu beziehen. Nicht alles sei gleich, nicht alles kompatibel, nicht alles darf akzeptiert werden“, heißt es in der Aussendung weiter.

„Grazer KPÖ unmissverständlich positioniert“

Die Grazer KPÖ habe eine „über die Jahre hindurch gefestigte, unmissverständliche Positionierung gegenüber dem jüdischen Staat“ – als Beispiele werden neben der Flaggen-Diskussion die nicht erfolgte Zustimmung der Grazer Kommunisten zur Verabschiedung der BDS-Resolution des Grazer Gemeinderates im Jahre 2019 oder auch, dass die KPÖ "doch bereits 2006 gegen ‚Krieg, Besatzung und Unterdrückung‘ im Nahen Osten aufgerufen habe, genannt.

Außerdem sagt Rosen im ORF-Steiermark Gespräch: „Ich kritisiere die KPÖ nicht, dass sie sich nicht eindeutig positioniert, sondern ich sage, sie positioniert sich. Das hat sie über Jahre bewiesen. Jemand, der sagt, er stellt das Existenzrecht Israels nicht in Frage mit der steirischen Friedensplattform und Palästinasolidarität mehr oder weniger zusammenarbeitet indem sie Raum gibt, ist für mich nicht glaubhaft.“ Rosen spielt damit auf angebliche Buchpräsentationen pro Palästinensischer Autoren im Volkshaus der KPÖ an.

Beide Seiten sind um klare Positionen bemüht

Elke Kahr weist die Vorwürfe am Freitag zurück. Die KPÖ sei eine Partei die für Frieden und die Neutralität eintrete, die mit einer Haltung verbunden sei, das egal wem Leid zugefügt werde, das benannt werden dürfe: „Das stimmt überhaupt nicht, in keinster Weise. Und ich muss schon fragen, wenn man eindeutig, so wie wir sagen, kein Pardon und jede Form von Gewalt und Terror den die Hamas auf die israelische Bevölkerung ausübt, ablehnt – da muss ich aber auch fragen dürfen, ist es Antisemitismus, wenn ich im selben Atemzug aber auch sage, dass man Mitleid mit den Frauen und Kindern in Gaza hat? Das frage ich mich schon.“

Elie Rosen kontert: „Man kann immer Mitgefühl ausdrücken. Was wäre die Alternative für Israel? Die Grenzen zu öffnen? Man fordert auch, dass die Versorgung von Israel komme, dass die Leute in Israel arbeiten dürfen. Da muss ich jetzt sagen, entweder will man einen selbstständigen Staat, dann muss man auch selbstständig agieren.“

Teilnahme wäre „Brüskierung“

Er, Rosen, müsse daher davon ausgehen, dass eine Teilnahme von Elke Kahr sowie von Mandatarinnen und Mandataren der Grazer KPÖ an den Gedenkfeierlichkeiten am 8. November „sowohl von einem Gros der Gemeindemitglieder wie auch Gästen als Brüskierung“ empfunden werden.

KPÖ respektiert Schritt, „versteht ihn aber nicht“

In einer Aussendung der Grazer KPÖ respektiert Elke Kahr den Schritt der jüdischen Gemeinde, "obwohl wir ihn nicht verstehen. Unsere jahrzehntelange enge Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinde und ihren Mitgliedern ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern“.

Kahr hätte das demnach in ihrer ersten Stellungnahme zum Hamas-Terroranschlag ausgesprochen: „Wir stehen an der Seite aller, die jetzt um ihre Verwandten und Freunde bangen. Es darf bei uns keinen Platz für Antisemitismus geben“. Und weiter: „Es muss zu einem guten Zusammenleben aller Menschen in der Region kommen. Hass und religiöse oder nationalistische Verblendung dürfen niemals die Antwort sein. Diese Haltung und unser tiefes Mitgefühl für die jüdische Bevölkerung hat die KPÖ auch in ihren Redebeiträgen durch Max Zirngast und Elke Heinrichs im Gemeinderat zum Ausdruck gebracht.“

Es stehe jeder Organisation frei, wen sie einlädt und wen nicht – „unserer Meinung nach aber treffen die Vorwürfe in keinster Weise zu. Gerade in Zeiten von Krisen und höchster Anspannung braucht man ruhige Überlegung und einen klaren Kopf“, heißt es von der Grazer KPÖ.

Kahr sucht das Gespräch mit Rosen

Der KPÖ könne schon historisch bedingt kein Antisemitismus vorgeworfen werden, so Kahr: „Die KPÖ hat im Kampf gegen Faschismus und Antisemitismus die größten Opfer in unserem Land gehabt und für ein freies und unabhängiges Österreich gekämpft. Uns auszuladen ist sehr bedauerlich.“

Um die Wogen zu glätten hat die Grazer Bürgermeisterin Donnerstagabend dem Präsidenten der jüdischen Gemeinde per Mail die Einladung zu einem Gespräch zukommen lassen. Er werde darauf reagieren, so Rosen.