Prozess
ORF
ORF
Chronik

Prozess nach Skandalbildern aus Hühnermast

Ein Jahr nach der Veröffentlichung von Videos aus einem südoststeirischen Hühnermaststall kommt es am Donnerstag in Graz zum Prozess. Der Sohn bekannte sich teilweise schuldig. Der Prozess wurde vertagt.

Ein vor einem Jahr veröffentlichtes Video des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) aus einem steirischen Hühnermastbetrieb hat am Donnerstag ein gerichtliches Nachspiel für die beiden Stallbetreiber, einen 83 Jahre alten Vater und seinen 55 Jahre alten Sohn.

Angeklagte zum ersten Mal in Gerichtssaal

Vater und Sohn sitzen zum ersten Mal in einem Gerichtssaal. Beide sind unbescholten. Der Sohn wirkt sichtlich angespannt und nervös, der Vater ist gesundheitlich angeschlagen, kann dem Richter nur schwer folgen und sagt selbst, dass er nicht ganz verstehe, warum er hier sei.

Es geht bei dem Prozess um einen Vorfall vom 10. August 2022. Kameras, die im Hühnerstall des Betriebs installiert wurden, zeigen, wie der 55-jährige Sohn mit einem Lader rückwärts in den Stall fährt und fünf Hühner überfährt, zwei davon sterben sofort, die drei anderen Hühner werden schwer verletzt und laut Staatsanwaltschaft vom Vater und vom Sohn zur Seite geworfen – mehr dazu auch in Geflügelmastskandal weitet sich aus (14.12.2022).

Sohn bekennt sich teilweise schuldig

Die schwer verletzten Tiere hätten notgeschlachtet werden müssen. Der angeklagte Sohn bekennt sich teilweise schuldig. Das sei ihm noch nie passiert, die Hühner würden im dunklen Stall immer sitzen bleiben. Dort, wo er mit seinem Lader fahren würde, würden die Hühner auch nie sitzen, sagt er vor Gericht. Er habe die überfahrenen Hühner auch nicht gesehen. Vor Gericht sagt er, er würde so etwas niemals mutwillig machen, dort, wo er fahre, auf dem Streifen, würden nie Hühner sitzen, er habe die Hühner nicht gesehen, es sei das erste Mal passiert, dass er ein Huhn überfahren habe, vorher noch nie, so der Angeklagte Sohn.

Der Vater gibt zunächst an, sich nicht schuldig zu bekennen, er könne sich aber an den Vorfall auch nicht mehr erinnern. Der Richter entscheidet sich schließlich dazu, ein Gutachten über die Verhandlungs- und Zurechnungsfähigkeit des 83-Jährigen einzuholen.

Prozess
ORF
Vor dem Landesgericht wurde am Prozesstag demonstriert

Verteidiger spricht von Unfall

Der Verteidiger der Angeklagten spricht heute von einem Unfall, die beiden seien davon ausgegangen, dass die Tiere tot sind. Es fehle bei Gerichtsverfahren dieser Art auch immer das Gespür, wie ein Mastbetrieb in Österreich eigentlich ablaufe, was die gesetzlich gedeckte Realität ist, so der Anwalt. Der Familie sei durch die Anklage ein großer Schaden, das Lebenswerk des Vaters sei zerstört worden. Er sagt, es gehe um die Anklage eines „Systems“, nicht um diesen einen Betrieb, jeder Betrieb habe Vorgaben. Der Richter hingegen kontert, es gehe ihm nur um den einen Vorfall, nicht um weitere Vorkommnisse im Betrieb, die auch vom VGT dokumentiert wurden.

VGT demonstrierte vor Prozessbeginn

Der VGT hatte vor Prozessbeginn vor dem Straflandesgericht gegen die Haltungsbedingungen demonstriert. David Richter vom VGT Steiermark, einer der Zuschauer im Gerichtssaal, meinte nach der Vertagung: „Die immensen Leiden der zerquetschten und schwer verletzten Hühner müssen als Tierquälerei vor Gericht verhandelt werden. Es ist eine absolute Ausnahme, dass solche tierquälerischen Szenen filmisch festgehalten wurden – wenn schon die vielen anderen ungesehenen Qualen in der Geflügelhaltung ohne Folgen bleiben, muss zumindest dieser Fall Konsequenzen haben. Das System der Billig-Fleisch-Produktion hinter dem Rücken der Gesellschaft und auf dem Rücken der Tiere muss beendet werden.“

Veränderungen nach Hühnermastskandal

Der VGT kritisierte damals den rohen Umgang mit den Tieren, ortete aber auch eine skandalöse Missachtung der Hygiene. Ein Jahr nach dem Skandal hat sich in der Geflügelbranche allerdings einiges geändert – mehr dazu in Ein Jahr nach Hühnermastskandal: Heute vieles besser (4.1.2023).