Mit knapp 22 Prozent hatte die SPÖ bei der Nationalratswahl am Sonntag ihr bisher schlechtestes Bundeswahlergebnis von der EU-Wahl im Mai (23,89 Prozent) noch unterboten – und schon am Montag gab es erste personelle Konsequenzen: Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda kündigte gegenüber Medienvertretern seinen Rückzug an – mehr dazu in Drozda geht als SPÖ-Bundesgeschäftsführer (news.ORF.at).
Mit fast einer Stunde Verspätung ging dann SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nach den Gremiensitzungen am Montagabend vor die Presse: Sie bestätigte, dass Wahlkampfleiter Christian Deutsch neuer Bundesgeschäftsführer der SPÖ wird. Der Wechsel löste in der SPÖ rasch Kontroversen aus – mehr dazu in SPÖ will „zeitgemäße Modernisierung“ (news.ORF.at).
„Einmal ehrlich zu sich selbst sein“
Auch der steirische SPÖ-Chef Schickhofer wird sich bis auf Weiteres aus Präsidium und Vorstand der Bundes-SPÖ zurückziehen: „Ich hab jetzt ganz klar gesagt, ich will unabhängig, frei die neue steirische SPÖ gestalten und führen, und da halte ich es jetzt einfach für wichtig, dass wir unabhängig von der Bundespartei, von den bundespolitischen Diskussionen einfach die Interessen, die Wünsche der Steirer ins Zentrum stellen können.“
Die Bundespolitik will Schickhofer künftig nicht mehr kommentieren – einen Tipp gibt er der Wiener Parteiführung aber noch mit auf den Weg: „Einmal ehrlich zu sich selbst sein und sagen, dass dieses Ergebnis alles andere als gut ist, dass man daraus Konsequenzen ziehen muss. Für mich in der Steiermark bedeutet das eben, Sicherheit hat oberste Priorität, und wir müssen Klimaschutzland Nummer eins werden.“ Der steirische SPÖ-Chef ist am Tag nach der Nationalratswahl also schon voll im Landtagswahlkampfmodus – „100 Prozent für die Steiermark“ nennt Schickhofer das.
SPÖ-Hochburgen zerbröselt
Andere wichtige SPÖ-Politiker im Land analysieren aber noch das Ergebnis vom Sonntag: Dabei erreichte die SPÖ nur mehr in 18 steirischen Gemeinden die relative Mehrheit, 2017 war das noch in 34 Gemeinden der Fall – mehr dazu in Wahl 19: Welche Steirer wählten welche Partei?
Auffallend ist, dass einige sozialdemokratische Hochburgen fielen – mehr dazu in Wahl 19: Türkise Steiermark mit roten Einsprengseln - , etwa Leoben: Die einstige SPÖ-Hochburg ist keine mehr. Die ÖVP ist die Nummer eins, die SPÖ stürzte bei Nationalratswahlen seit 2006 von 53,5 auf 29 Prozent ab.
„Die Kirche im Dorf lassen“
„Das trifft einen schon persönlich, weil man muss Herz haben in der Politik, und dadurch ist diese Reaktion logisch. Man muss aber die Kirche im Dorf lassen – ich will aber auch nichts beschönigen: Der Vorsprung der ÖVP in Leoben ist eigentlich marginal, in Wahrheit sind wir also gleichauf. Aber man hat hier eine Bundesentscheidung getroffen und keine kommunale Entscheidung und auch keine Landesentscheidung“, so der Bürgermeister von Leoben, Kurt Wallner (SPÖ).
Muchitsch hält Personaldebatte für unnötig
Wallner sagte weiters, es sei ganz klar, dass die SPÖ auf Bundesebene jetzt in Opposition gehen muss. Das sieht auch der oberste Baugewerkschafter Josef Muchitsch so – er meinte, die Zeit der SPÖ werde wiederkommen. Eine Personaldebatte über SPÖ-Chefin Pamela-Rendi-Wagner hält Muchitsch für unnötig: Die SPÖ soll bei ihrem Kernthema der Sozialpolitik bleiben und das gut verkörpern.
Max Lercher: SPÖ brauche „massive Veränderung“
„Nie hatten wir weniger Zuspruch, noch nie hatten wir ein schlechteres Ergebnis, nie war der Abstand zur ÖVP größer in der Zweiten Republik. Es ist offensichtlich, dass wir ein massives Glaubwürdigkeitsproblem haben. Man glaubt uns nicht mehr, was wir sagen“, so Max Lercher, der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Vorgänger von Thomas Drozda zum Wahlergebnis.
„Die SPÖ braucht eine massive Veränderung, wir brauchen einen Systemwechsel. Es darf kein Weiter-so-wie-bisher mehr geben. Wir müssen aufhören, unseren eigenen Untergang zu verwalten“, fügt der Obersteirer hinzu. Ein Reformparteitag mit der Neubestimmung der Inhalte müsse stattfinden, und eine Einigung auf ein neues inhaltliches Fundament müsse her, „denn noch mehr solche Niederlagen können wir uns nicht leisten“, betont Lercher.
Türkiser Triumph, Verluste für SPÖ und FPÖ
Am Sonntag wählte Österreich einen neuen Nationalrat – und der Wahlsieger heißt ÖVP: Die Volkspartei kam auf rund 37 Prozent, SPÖ und FPÖ verlieren deutlich, die Grünen ziehen wieder ins Parlament ein – mehr dazu in ORF.at, in Wahl 19: ÖVP triumphiert, SPÖ und FPÖ verlieren und in Wahl 19: Alle Ergebnisse aus der Steiermark.
Auch die Steiermark präsentiert sich nach der Nationalratswahl 2019 türkisfarben: Nur in der Obersteiermark hielt die SPÖ in einigen Industriestädten – meist knappe – Mehrheiten, keine einzige Gemeinde ist mehr blau – mehr dazu in Wahl 19: Türkise Steiermark mit roten Einsprengseln. Auch Graz zeigt sich türkis, die großen Gewinner unter dem Uhrturm sind aber die Grünen – mehr dazu in Wahl 19: Grüne sind große Gewinner in Graz.
Das Landesergebnis zeigt mit der ÖVP und den Grünen zwei eindeutige Sieger und mit FPÖ und SPÖ zwei eindeutige Verlierer. Wer ist seiner Partei treu geblieben und wer nicht, und was waren die wichtigsten Wahlmotive? Die Institute SORA und ISA führten für den ORF eine Wählerstromanalyse durch und nahmen dabei die wichtigsten Wahlmotive unter die Lupe – mehr dazu in Wahl 19: Wer hat wen warum gewählt?