Landesgericht Graz
ORF.at/Roland Winkler
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Gericht

IS-Prozess: Sieben Jahre Haft für Prediger

In Graz ist am Donnerstag der IS-Prozess um sechs mutmaßliche Dschihadisten ins Finale gegangen. Insgesamt gab es vier Schuld- und zwei Freisprüche, wie Donnerstagabend bekannt wurde. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die sechs gebürtigen Türken mussten sich wegen Verbrechen der terroristischen Vereinigung, Verbrechen der kriminellen Organisation und Verbrechen staatsfeindlicher Verbindungen vor Gericht verantworten. Am 10. Verhandlungstag fielen die Urteile.

Vier Angeklagte für schuldig gesprochen

Der Hauptangeklagte, ein 47-jähriger Prediger, bekam sieben Jahre unbedingte Haft und fasste somit die härteste Strafe aller Verurteilten aus. Sechs Jahre unbedingte Haft gab es für seinen Stellvertreter und ein Angeklagter, der selbst in Syrien war, erhielt fünf Jahre Haft. Der Obmann des Vereins wurde zu fünf Monaten bedingt verurteilt. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Der Vermieter des Linzer Glaubensvereins, wo der Erstangeklagte als Prediger tätig war, und der Kassier wurden freigesprochen. Sechseinhalb Stunden wurde beraten, bevor es zu den Schuld- und Freisprüchen kam.

Letzte Verhandlung am Donnerstag

Mit der Fortsetzung des Schlussplädoyers der Verteidigung hat am Donnerstag der letzte Verhandlungstag begonnen. „Es fehlt an Beweisergebnissen“, meinte einer der Anwälte. Sein Mandant habe nie radikalisiert, sondern vor dem Kampf für den IS gewarnt. Dass einer der Beschuldigten ein Zielfernrohr für seine Kalaschnikow gekauft und seinem Bruder – einem Scharfschützen beim IS – geschickt hatte, sei „ein Fehler“ gewesen.

Anklage fordert Haftstrafen für alle Beschuldigten

„Beurteilen Sie jeden Angeklagten separat“, forderte einer der Verteidiger die Geschworenen auf, nachdem der Ankläger am Mittwoch gefordert hatte, alle sechs Männer schuldig zu sprechen. Auch die Beschuldigten selbst durften sich am Donnerstag äußern. Sie beteuerten erneut ihre Unschuld.

Chronologie:

Die Angeklagten müssen sich wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation sowie einige wegen staatsfeindlicher Verbindung vor dem Straflandesgericht in Graz verantworten – mehr dazu in:

Am neunten Verhandlungstag am Mittwoch war als Gutachter ein Professor für islamische Religionspädagogik und Experte für die religiöse Erziehung muslimischer Kinder am Wort, um vier Freitagsgebete eines angeklagten Imam zu analysieren.

„Alle bekriegen, die sich gegen einen stellen“

Unter anderem hatte der Beschuldigte darin Eigenschaften der Muslime definiert und ein klar abgegrenztes Bild des echten Muslim gezeichnet: Dieser solle Christen oder Juden nicht nachahmen, denn dabei würden „Männer ihrer Männlichkeit und Frauen ihrer Weiblichkeit beraubt“.

In den Reden habe es auch geheißen, man müsse „alle bekriegen, die sich gegen einen stellen“. Der Prophet sei „auch ein tötender Prophet“ gewesen. „Der Dschihad muss unbedingt durchgesetzt werden.“ Eine der drohenden Gefahren sei die Spaltung innerhalb von Dschihadgruppen.

Basis „auf radikal-islamistischer Ideologie“

Der Imam habe auch die „Legitimität und Notwendigkeit“ des Dschihad betont, erklärte der Gutachter. Jeder, der die Verbreitung des Islam verhindere, müsse „beseitigt werden“. Der Sachverständige kam zu dem Schluss: „Die Gebete basieren auf radikal-islamistischer Ideologie“, und das stehe „im Gegensatz zur Vorstellung der klassischen Gelehrten und der islamischen Gesellschaft der Gegenwart“.

„Ziel ist die Weltherrschaft“

Die Verhandlung war zunächst am Nachmittag wieder mit einem langen Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt worden. Nicht nur Ermittler, sondern auch ein Zeuge – ein Verwandter des Erstangeklagten – wurden gehört. Danach wurde der Prozess mit einem weiteren Gutachter fortgesetzt. Der Experte für islamistischen Terrorismus erläuterte ausführlich die Geschichte der Terrororganisation Islamischer Staat (IS): „Das Ziel des IS ist die Weltherrschaft“, fand der Sachverständige klare Worte.

Mitten in den Ausführungen des Gutachters fiel der Richterin ein, dass noch ein Zeuge warten würde. Sie unterbrach die Ausführungen des Experten und befragte den Zeugen. Dabei handelte es sich um den Vater jenes IS-Kämpfers, der in Graz bereits rechtskräftig verurteilt worden ist.

„Um 180 Grad gedreht“

„Was glauben Sie, wer hat Ihren Sohn dazu gebracht, dass er sich dem IS angeschlossen hat?“, fragte die Richterin. „Weiß ich nicht“, kam die Antwort. Bei einer anderen Befragung hatte der Mann angegeben, sein Sohn habe sich nach häufigen Besuchen in der Furkan-Moschee „um 180 Grad gedreht“. Ja, das sei richtig gewesen, räumte der Zeuge ein.