Gericht

Dschihadistenprozess: Erstmals Prediger befragt

Im Grazer Straflandesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen elf mutmaßliche Dschihadisten fortgesetzt worden. Dabei wurde erstmals auch der angeklagte Prediger befragt.

Der 44-Jährige soll in der Grazer Taqwa-Moschee durch seine Reden radikalisierend gewirkt haben. Aus diesem Glaubensverein gingen 2014 insgesamt 38 Personen nach Syrien, um sich der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anzuschließen. Einige sind zurückgekehrt, einige wurden getötet, von manchen hat sich jede Spur verloren.

IS „wissenschaftlich nicht akzeptabel“

Der Prediger war auch in einem Wiener Glaubensverein tätig und hatte als Seelsorger ein Einkommen von 1.000 Euro. Der Gutachter bescheinigte ihm eine „ausgeprägte Sympathie für den Dschihadismus“. „Ich bin ein Gegner des Islamischen Staates, das ist wissenschaftlich nicht akzeptabel“, meinte er zu diesem Vorwurf. Er habe sich stets gegen die Ausreise seiner Glaubensbrüder nach Syrien ausgesprochen, betonte er: „Wenn jemand nicht ausgereist ist, dann wegen meiner Predigten“, war er überzeugt.

Zu seinen religiösen Vorstellungen äußerte er sich ausweichend: „Ich habe ein Glaubensbekenntnis, es ist wie das erste der Zehn Gebote“, erläuterte er. „Ist der Ungläubige zu verstoßen oder zu töten?“, wollte der Richter wissen. „Es geht gar nicht um Gewalt“, kam die Antwort. Den in Graz bereits zu 20 Jahren Haft verurteilten Prediger Mirsad O. – er ist auch diesmal als Zeuge geladen – schätze er nicht besonders: „Es gibt Unterschiede bei uns in den Glaubenssätzen.“

Geweigert, Bilder von Frauen anzuschauen

Als ihm bei seiner Einvernahme Fotos vorgelegt wurden, hatte er sich geweigert, Bilder von Frauen anzuschauen. „Wieso dürfen Sie das nicht anschauen?“, interessierte den Richter. „Das gibt es auch in der Bibel. Wer eine Frau lüstern anschaut …“ „Sie müssen ja nicht lüstern schauen“, warf der Vorsitzende ein. Doch der Prediger gab an, er könne dazu nichts sagen, er habe „niemals hingeschaut“.

Angeklagter zu „Mein Kampf“ befragt

Befragt wurde am Donnerstag auch ein 38-jähriger Mazedonier: Er muss sich ebenso wie alle übrigen Angeklagten wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung, der kriminellen Organisation und der staatsfeindlichen Verbindung verantworten – mehr dazu in Wieder Dschihadistenprozess in Graz, in Dschihadistenprozess in Graz fortgesetzt und in Dschihadistenprozess: Frau eines Moschee-Leiters befragt.

Im Zuge einer Hausdurchsuchung wurde bei ihm unter anderem Adolf Hitlers „Mein Kampf“ sichergestellt: „Sie sind der Erste, den ich kenne, der ‚Mein Kampf‘ gelesen hat. Ist der Islamismus nicht von massivem Judenhass geprägt?“, zeigte der Staatsanwalt mögliche Parallelen auf. „Solche Themen sind sehr schwer zu erklären“, wich der Befragte aus und fügte hinzu: „Ich bin kein Gelehrter“.

„Hat Sie ‚Mein Kampf‘ inspiriert?“, wollte einer der Geschworenen wissen. „Nein, ich wollte die Psychologie von Hitler sehen, das hat mich interessiert“, antwortete der Angeklagte. Er wurde auch mit der Tatsache konfrontiert, dass bei ihm judenfeindliche Textpassagen gefunden wurden. „Ist der Islam geprägt von Judenhass?“, fragte der Richter. „Ich habe diese Texte nur gelesen, sie sind nicht von mir“, wehrte der Beschuldigte ab. „Wäre es Ihnen lieber, in einem Islamischen Staat zu leben?“, interessierte sich einer der Geschworenen. „Den gibt es nicht, daher brauche ich darüber nicht nachzudenken“, antwortete der 38-Jährige. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.