Landesgericht Graz
ORF.at/Roland Winkler
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Gericht

„Staatenbund-Prozess“: „Präsidentin“ erneut befragt

Im Grazer Straflandesgericht ist am Mittwoch die „Staatenbund-Präsidentin“ befragt worden – sie habe „zum Wohle aller Menschen“ etwas verändern wollen. Zum Tatzeitraum soll die Chefin des „Staatenbund Österreich“ zurechnungsfähig gewesen sein, heißt es.

Die Neuauflage des Verfahrens war wegen teilweiser Aufhebung des Urteils nötig geworden – am Dienstag erfolgte der vergleichsweise friedliche Auftakt – mehr dazu in „Staatsverweigerer“-Prozess: Friedlicher Auftakt (8.9.2020). Diesmal stehen nur die wichtigsten Punkte, nämlich Teilnahme an einer staatsfeindlichen Verbindung und bei einigen noch versuchte Bestimmung zum Hochverrat auf dem Programm.

„Staatenbund Österreich“ bei Stammtisch gegründet

Die Chefin des „Staatenbund Österreich“ gab sich bei ihrer Befragung freundlich und in keiner Weise beharrlich. Sie erklärte zwar ihre Ideen, machte aber nicht den Eindruck, als wären sie für sie noch lebenswichtig. Gleich zu Beginn wollte sie die drei wichtigsten Elemente ihres Regelwerks aufzählen, schaffte es aber nicht: „Fällt mir nicht mehr ein, ist auch egal“.

„Wer hat den Entschluss gefasst, den Staatenbund zu gründen?“, wollte die Richterin wissen. „Ich habe einen Stammtisch gehabt, und da haben wir uns zusammengetan“, meinte die 44-Jährige. Bei der verfassungsgebenden Versammlung waren sieben Personen dabei, unterschrieben hatten 360. Nachdem die Urkunde unterzeichnet war, habe man am Grazer Hauptplatz den „Staat Steiermark“ ausgerufen. „Warum nicht gleich Staat Österreich?“, interessierte die Vorsitzende. „Wir haben mit der Steiermark angefangen“, antwortete die „Präsidentin“ eher emotionslos.

Ohne „Lebendmeldung“ ein „rechtloser Sklave“

Reste des ehemaligen Enthusiasmus wurden hörbar, als sie von der „Lebendmeldung“ erzählte. Wer sich nämlich nicht gleich bei der Geburt lebend melden würde, gilt sieben Jahre lang als verschollen und wird dann für tot erklärt, so die Beschuldigte. Damit würde auch das Treuhandkonto, das jeder bei seiner Geburt erhält, verfallen. „Wo ist denn das Treuhandkonto?“, fragte die Richterin. „Ich habe es mir ausgedruckt, gleich nach der Lebendmeldung“, antwortete die „Präsidentin“.

Wer das Geld aber genau besitze, könne sie leider nicht sagen, aber „eigentlich gehört es mir, ich habe es als Baby bekommen“, meinte sie. „Ich bin also Ihrer Meinung nach auf die Welt gekommen, galt als verschollen und bin dann für tot erklärt worden“, fasste die Richterin zusammen. „Nein, nicht tot, sondern ein rechtloser Sklave“, stellte die 44-Jährige ihre Sicht der Dinge dar.

„Wir haben auch keine Wunder wirken können“

Worüber sie weniger reden wollte, waren die Praktiken mit Autoanmeldungen und Exekutionen von Häusern. Der „Staatenbund“ hatte nämlich seinen Mitgliedern eingeredet, sie könnten einmalig 100 Euro zahlen und wären damit die Pflicht-Kfz-Versicherung los. Ein ähnliches System gab es auch für Grundbesitz, was aber niemanden vor einer Exekution bewahrte, wie die „Staatenbund“-Mitglieder am eigenen Leib erfahren mussten. „Was haben Sie gemacht, wenn jemand Probleme mit Exekution hatte?“, fragte die Richterin. „Wir haben auch keine Wunder wirken können“, war alles, was die „Präsidentin“ zu diesem Thema sagen wollte.

„Präsidentin“ zum Tatzeitraum noch zurechnungsfähig

Die psychiatrische Sachverständige hat der „Präsidentin“ bescheinigt, zum Tatzeitraum – 2015 bis 2017 – zurechnungsfähig gewesen zu sein. Erst Mitte 2019 veränderte sich der Gesundheitszustand. Seit damals leidet die 44-Jährige an einer schizophrenen Erkrankung. Es bestehe aber „keine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie Handlungen mit schweren Folgen begehen würde“.

Zum ersten Mal hatte die Sachverständige die Angeklagte 2017 gesehen, damals gab es „aus psychiatrischer Sicht keine Störung“. Ebenso wenig 2018, auch hier zeigte sich noch keine „wahnhafte Störung“. Das änderte sich 2019. Die Beschuldigte war im Jänner dieses Jahres zu 14 Jahren Haft verurteilt worden und begann „völlig skurrile Dinge“ zu äußern, bemerkte Kastner.

Im Sommer als nicht zurechnungsfähig eingestuft

Schließlich wurde die 44-Jährige wegen ihrer Aggressionen zum „Problemfall in der Haft“. Wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt musste sie sich im Sommer auch vor Gericht verantworten. Bei dieser Verhandlung wurde sie von der Psychiaterin als nicht zurechnungsfähig eingestuft. Es erfolgte die bedingte Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher – mehr dazu in „Staatenbund“-Präsidentin ent- und verhaftet (6.8.2020) und „Staatenbund-Präsidentin“ wieder in U-Haft (7.8.2020)

Mittlerweile habe die Angeklagte gut auf die Behandlung angesprochen. Die Sachverständige sagte zwar: „Wenn sie wieder krank würde, wäre alles Mögliche denkbar“, war aber trotzdem der Meinung, es bestehe „keine große Wahrscheinlichkeit, dass sie Handlungen mit schweren Folgen begehen wird.“

Prozess bis Ende Oktober anberaumt

Die Ausführungen eines anderen Gutachters, der von einer jetzigen Erkrankung auf eine auch bereits früher bestehende rückgeschlossen hatte, bezeichnete die Sachverständige als „Kaffeesudlesen, das ich nicht nachvollziehen kann“. Auch sei die Einholung eines psychologischen Gutachtens „entbehrlich“, betonte die Sachverständige.

Zusammen mit weiteren zwölf Beschuldigten – von den ursprünglich 14 im ersten Verfahren wurde einer diversionell erledigt – muss sie sich noch bis mindestens Ende Oktober mit diesem Thema auseinandersetzen.