Judith Schwentner (Grüne), Elke Kahr (KPÖ) und Michael Ehmann (SPÖ Graz)
APA/ERWIN SCHERIAU
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Politik

Graz: Dunkelrot-Grün-Rot steht

Knapp sieben Wochen nach der Grazer Gemeinderatswahl ist nun eine dunkelrot-grün-rote Koalition in Graz fix: KPÖ, Grüne und SPÖ haben am Samstag ihr Programm mit dem Titel „Gemeinsam für ein neues Graz. Sozial. Klimafreundlich. Demokratisch.“ präsentiert.

Elke Kahr hatte mit der KPÖ bei der Grazer Gemeinderatswahl am 26. September überraschend den Langzeitbürgermeister der ÖVP, Siegfried Nagl, gestürzt und mit deutlichem Vorsprung Platz eins geschafft – mehr dazu in Wahlkarten ändern nichts: KPÖ auf Platz eins (26.9.2021). Seit rund einem Monat standen KPÖ, Grüne und SPÖ in Verhandlungen – mehr dazu in Graz: Dunkelrot-Grün-Rot so gut wie fix (22.10.2021) –, die Freitagabend mit den Gremiensitzungen der Parteien abgeschlossen wurden.

„Gemeinsam für ein neues Graz“

Das am Samstag präsentierte Programm trägt nun den Titel „Gemeinsam für ein neues Graz. Sozial. Klimafreundlich. Demokratisch.“ und ist in 21 Punkten zusammengefasst. Die drei Parteien hätten im vergangenen Monat „intensiv gearbeitet“, nun liege das Arbeitsprogramm für die Koalition vor, „ganz ohne Spindoktoren“ erstellt, betonte Elke Kahr schmunzelnd.

Es eröffne ein „neues Kapitel in Graz“ und sei „gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung“. Kahr unterstrich, dass das Programm „in der Tradition des Antifaschismus, der Friedensbewegung, der Frauenbewegung und der Umweltbewegung“ stehe – „das ist unser Kompass.“ Ziel sei es Graz freundlicher, sozialer, ökologischer und demokratischer zu machen. Es sei ein Arbeitsprogramm für jeden, „Kinder, Ältere, Frauen, Männer, hier Geborene und Zugezogene“, so Kahr.

Judith Schwentner (Grüne), Elke Kahr (KPÖ) und Michael Ehmann (SPÖ Graz)
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Judith Schwentner (Grüne), Elke Kahr (KPÖ), Michael Ehmann (SPÖ)

Kahr konkretisierte den sozialen Aspekt: „Der Bau von neuen Gemeindewohnungen ist unabdingbar und muss in einem großen Stil fortgesetzt werden. Gleichzeitig braucht es natürlich auch einen Ausbau und eine Verbesserung der Wohnungslosenhilfe. Wir werden den Kautionsfonds ausweiten, die Sozialcard wird ausgeweitet werden, was den BezieherInnenkreis angeht. Wir möchten auch, dass berufstätige Menschen, Selbstständige und Studierende in den Genuss einer Sozialcard kommen können, weil ja auch sie, die oft kleine Einkommen haben, dringend auf diese Hilfe angewiesen sind.“

„Keine Denkmäler und keine Prestigeprojekte“

Judith Schwentner (Grüne) betonte, dass „Soziales, Klimaschutz und Demokratie“ die „Eckpfeiler der Koalition“ seien und fuhr fort: „Sie werden keine Denkmäler und keine Prestigeprojekte finden, wir wollen uns dem Lebensraum widmen.“ Der Umbau des Griesplatzes stehe für sie ganz oben auf der Liste; weiters soll der Bau der Südwestlinie der Straßenbahn bis 2025 auf Schiene gebracht werden.

Ein weiteres Projekt sei die Idee, für jedes Kind ein Fahrrad bereitzustellen- das sei sowohl eine Sozial-, als auch eine Mobilitätsmaßnahme. Hinzu kommen Schwentners im Wahlkampf angekündigten „grüne Meilen“ und auch die Überarbeitung der Planungsinstrumente in der Stadt – Stichwort Flächenwidmungsplan. „Was wird sich ändern? Der politische Stil, mehr Transparenz, ein offener Umgang, Bürgernähe und ein Stadtbild mit mehr Grün und Platz“, sagte die künftige Vizebürgermeisterin.

„Sehr viele sozialdemokratische Inhalte“

SPÖ-Chef Ehmann wiederholte, warum sich die Sozialdemokraten ohne Sitz im Stadtsenat dennoch in eine Koalition mit der KPÖ und den Grünen begibt: „Es stellte sich die Frage, ob wir wieder Opposition, wohl ohne Bedeutung, machen. Aber wir wollten gestalten, und daher tragen wir die Inhalte und das Programm mit. Es sind sehr viele sozialdemokratische Themen enthalten.“

Er zählte unter anderem die Reduktion der Kindergartenbeiträge und die Absicherung pflegender Angehörige auf. „Wir wollen den Ausbau des öffentlichen Verkehrs ohne Märchenbahn, sondern mit Straßenbahnen“, bezog er sich auf die geplante Mini-Metro des scheidenden Bürgermeisters Siegfried Nagl (ÖVP). Weiters wird es eine Leerstandserhebung und -mobilisierung geben und „mehr Information als Marketing“ in den städtischen Blättern.

Vorerst Budgetprovisorium

Die Koalition wird vorerst mit einem Budgetprovisorium regieren, ein Kassasturz soll im März 2022 auf Basis des Rechnungsabschlusses erfolgen – dann werde man sehen, welche Projekte zu budgetieren sind, hieß es am Samstag. Ziel seien ein stabiler Haushalt, ein Konsolidierungskurs und auch Überschüsse.

Graz: Dunkelrot-Grün-Rot steht

Knapp sieben Wochen nach der Grazer Gemeinderatswahl ist nun eine dunkelrot-grün-rote Koalition in Graz fix: KPÖ, Grüne und SPÖ haben am Samstag ihr Programm mit dem Titel „Gemeinsam für ein neues Graz. Sozial. Klimafreundlich. Demokratisch.“ präsentiert.

Ressortverteilung schon seit einigen Tagen fix

Schon seit Dienstagabend steht die Ressortverteilung des neuen Grazer Stadtrats fest. Aufgrund des Proporzes ergibt sich dabei die doch eher ungewöhnliche Situation, dass die SPÖ als Koalitionspartner keinen Sitz hat, die bisherigen Regierungsparteien ÖVP (zwei) und FPÖ (einen) jedoch schon.

  • Die künftige Bürgermeisterin Elke Kahr holt sich demnach die Zuständigkeit für Wohnungsangelegenheiten zurück, weiters ist sie künftig auch für das Sozialamt und die Magistratsdirektion zuständig.
  • Die voraussichtliche neue Vizebürgermeisterin Judith Schwentner erhält das Straßenamt, die Verkehrsplanung und die Stadtbaudirektion.
  • Manfred Eber (KPÖ) zieht neu in die Stadtregierung ein und übernimmt die Finanz- und Vermögensdirektion und auch das Personalamt.
  • Der bisherige KPÖ-Stadtrat Robert Krotzer behält das Gesundheitsressort und wird zudem künftig auch für Integration im Bildungsbereich zuständig sein.
  • Die ÖVP-Stadträte Kurt Hohensinner und Günter Riegler werden sich folgende Ressorts aufteilen: Wirtschaft und Tourismus, das Kulturamt, das Sportamt, das Amt für Jugend und Familie. Ursprünglich hätte auch die Bau- und Anlagenbehörde den ÖVP-Stadträten zugeordnet werden sollen, auf deren Bitte wird diese nun aber die KPÖ übernehmen.
  • Die FPÖ erhält das BürgerInnen-Amt und das Veterinäramt, Stadträtin wird Claudia Schönbacher, die Vizebürgermeister Mario Eustacchio nachfolgt – mehr dazu in Schönbacher übernimmt Grazer FPÖ.

Die SPÖ, die keinen Stadtregierungssitz hat, sichert der Koalition die Mehrheit – dafür bekommen die Sozialdemokraten mehrere Ausschussvorsitze, das Entsendungsrecht für den Aufsichtsratschef bei der Holding Graz und eine führende Rolle für Michael Ehmann in der Reformgruppe für die Holding.

Kahr wird erste kommunistische Bürgermeisterin von Graz

Kahr selbst wird bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats am 17. November als Bürgermeisterin vorgeschlagen, Schwentner als Vizebürgermeisterin.

ÖVP: „Koalition des Unkonkreten“

ÖVP-Stadtrat Kurt Hohensinner reagierte mit einer scharfen Kritik: Es sei eine „Koalition des Unkonkreten, der gebrochenen Versprechen und des Gegeneinanders“. Es handle sich um ein „Programm zwischen Ideenlosigkeit, Mutlosigkeit und Gesellschaftsspaltung. Die Linksparteien haben ihren Wählerinnen und Wählern große Versprechungen gemacht, die nun bitter enttäuscht werden. Kein Gratis-Kindergarten, kein Teuerungsstopp, kein zweites Stadion, kein Baustopp, kein S-Bahn-Ring.“

Das „neue Kapitel“ für Graz bringe nicht mehr Miteinander, sondern es sei eine Koalition des Gegeneinanders: „Autos gegen Fußgänger, Mieter gegen Eigentümer, Unternehmer gegen Arbeiter und Angestellte.“ Es stünden „schwere Einschnitte in Verkehr, Wirtschaft, etc. unter denen die Grazerinnen und Grazer zu leiden haben werden“, bevor. Es sei bezeichnend, dass das Wort Wirtschaft in der gesamten Pressekonferenz kein einziges Mal erwähnt wurde, so Hohensinner.

FPÖ: „Politik ohne Visionen“

Der designierte Grazer FPÖ-Klubobmann Alexis Pascuttini meinte in einer ersten Reaktion: „Diese Stadtregierung wird eine Politik völlig ohne Visionen betreiben. Prägend für diese Linkskoalition werden wohl die Wirtschaftsfeindlichkeit und ein permanentes Autofahrerbashing sein.“

NEOS: „Licht und Schatten“

Der Grazer NEOS-Chef Philipp Pointner sieht im präsentierten Koalitionspakt wiederum „Licht und Schatten“ und ließ in einer Aussendung wissen: „Auf sachlicher Ebene werden wir bei einigen Themen gut zusammenarbeiten können.“ Die zukünftige Stadtregierung müsse aber besonders bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf „für spürbare Entlastung und echte Verbesserungen bei den Öffnungszeiten sorgen“ und deshalb „nachschärfen“.